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Die Reifeprüfung

Geschichte Info
Matthias findet den Anfang seines Traumpfads
4.7k Wörter
3.8
32.4k
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Es war ein verregneter Tag im Oktober. Matthias war schon früh losgefahren, in der Nacht hatte er vor lauter Aufregung kaum schlafen können, um sechs hielt er es nicht mehr aus im Bett. Vor Wochen hatte er in einem Hamburger Anzeigenblättchen geschmökert. Zwischen vielen bunten Partyankündigungen und schmuddeliger Sexwerbung fiel sein Blick auf die paar dürren Zeilen einer Kleinanzeige:

"Du hast ausgefallene Fantasien, exotische Träume? Bist Du reif für die Realität? Wenn Du das wirklich wissen möchtest, bieten wir Dir DIE einmalige Chance! Hab Mut und melde Dich! Du wirst es nie bereuen! Chiffre XYZ."

Tagelang war ihm dieser Text nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Immer wieder wiederholte er die Worte und setzte sich schließlich an seine alte Schreibmaschine, um eine Antwort zu formulieren. In irgendeinen PC, schon gar nicht den in seinem im Büro, wollte er seinen Brief nicht tippen, das war ihm zu heikel. Auch gelöschte Textdateien ließen sich bekanntlich regenerieren...

Schließlich war es geglückt, eine Seite war sauber und ordentlich beschrieben mit allem, was er von sich preisgeben wollte. Noch zwei Tage trug er den Brief in der Jackentasche mit sich herum, dann war es soweit: mit leicht zittrigen Fingern warf er das Kuvert in einen der gelben Postkästen. Er war extra in ein fremdes Stadtviertel gefahren, man konnte ja nie wissen...

Gleich am nächsten Tag schaute Matthias in seiner privaten, anonymen Mailbox nach, doch logischerweise war keine Nachricht drin, nur ein paar von den üblichen, lästigen Spams. Er brauchte kein Viagra, schon gar kein illegales, davon waren eh mehr als die Hälfte wertlose Fälschungen. Solche und ähnliche Angebote hatten ihn noch nie interessiert. In seinem tiefsten Inneren gab es, solange er denken konnte, einen Traum, der ihn nicht losließ. Und wenn ihn etwas anturnen konnte, dann waren es alle Dinge, die damit irgendwie zu tun hatten.

Vor einigen Jahren schon war Matthias im Internet auf einer dieser ziemlich wüsten SM-Sexseiten zufällig einem Bild begegnet, das ihn Tag und Nacht verfolgte: es war die perfekte Darstellung seines Traumes. Von diesem Tag an wußte er, daß er nicht allein war auf der Welt. Und daß er nicht ruhen würde, bis er irgendwann in seinem Leben sein Ziel erreichte. Er hatte schon vieles geschafft, immer getreu seinem Motto: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Er würde auch diesen Weg finden.

Einige Tage nach dem Absenden seines Briefes fand Matthias eine Mail in seinem Postfach mit dem schlichten Titel: Reifeprüfung. Er schaute auf den Absender: einfach nur "Cora", nichts weiter.

Sein Herz fing wie rasend an zu klopfen. Er spürte, wie sich jede Faser seines Körpers zusammenzog. Es wurde ernst. Er klickte mit zittrigen Fingern die Mail an, die Maus war erst beim dritten Mal an der richtigen Stelle. Da stand nicht viel zu lesen:

"Wenn Du es ernst meinst, sei am Samstag, den 18. Oktober, um punkt 18.00 Uhr in der Otto-Schleiermacher-Straße 28 in Hamburg-Wandsbek. Du wirst auf den Glockenschlag genau bei Siebeck klingeln. Frag in der Gegensprechanlage nach Cora. Im dritten Stock wirst Du erwartet werden. Und eins muß Dir klar sein: wenn Du nicht kommst, wirst Du keine zweite Chance erhalten."

Matthias suchte fahrig nach seinem Kalender. Am Samstag hatte er frei, nichts sprach dagegen, die 50 Kilometer nach Hamburg zu fahren und pünktlich um sechs dort zu sein. Noch sechs Tage hatte er Zeit. Zeit, um sich darüber klar zu werden, ob und was er wirklich wollte. Zeit um Mut zu sammeln. Oder auch, um allen Mut zu verlieren.

Schlagartig wurde ihm klar, daß die geheimnisvolle Cora kein Wort zum Inhalt seines Briefes verloren hatte. Nicht ein einziges. Was mochte das bedeuten? Verstand sie ihn? Oder schlimmer, war er ihr völlig egal?

Und noch was fiel im auf, womit er nicht gerechnet hatte: kein Wort über Geld, Honorar, Lohn oder dergleichen. Noch nicht einmal eine Andeutung zwischen den Zeilen. Matthias hatte gehört, daß manche Damen nicht zimperlich waren, wenn es darum ging, ihre Bemühungen in Gold aufzuwiegen... Nun, für alle Fälle nahm er sich vor, nicht mit leerer Brieftasche loszufahren, sich aber eine klare Grenze zu setzen. Um sich ausnehmen zu lassen, fuhr er jedenfalls nicht dorthin.

Auf der anderen Seite hatte er das seltsame Gefühl, daß es bei der ganzen Sache zu allerletzt um Geld ging. Ihm sowieso, aber Cora?! Sollte sie tatsächlich mehr wollen, anders sein, sollte es ihr tatsächlich mehr um seine Träume gehen?

Die sechs Tage waren wie im Flug vergangen. Tag und Nacht kreisten seine Gedanken um seine innersten Gefühle, Fantasien, Träume. Er spürte, nach diesem Wochenende würde nichts mehr so sein, wie es war. Und wußte doch, daß es letztlich nichts weiter werden würde als ein Besuch bei einer Dame, die auf die Erfüllung spezieller Wünsche spezialisiert war. Mochte man sie nennen, wie man wollte.

Matthias hatte Angst, ernüchtert aufzuwachen. Aber genauso Angst hatte er, sie könnte es ernst meinen. Allzu ernst. Obwohl gerade das ja seinen ganz besonderen Reiz hatte. Zwei Seelen rangen in seiner Brust.

Schließlich war er am Samstagmorgen um sechs hellwach aufgestanden. Sein Adrenalinspiegel war schon zu dieser Zeit höher als sonst. Das Frühstück genoß er fast wie eine Henkersmahlzeit. Zum Mittagessen war sein Nervenkostüm nicht mehr wirklich in der Lage. Ein halbes Hähnchen im Imbiß an der Ecke, zu mehr war Matthias heute nicht fähig. Er irrte ziellos im Haus herum und schlug die Zeit mit irgendwelchen mehr oder weniger sinnvollen Verrichtungen tot, Hauptsache, sie lenkten ihn ab.

In der Mailbox war die ganze Zeit nichts mehr angekommen, warum sollte es auch. Die Ansage war klar gewesen, nichts war dem hinzuzufügen.

Um 16 Uhr schließlich holte er das Auto aus der Garage und fuhr ganz langsam los. Nur nicht in der Aufregung auch noch einen Unfall bauen! Den Weg zur Autobahn fuhr sein Wagen eh schon von alleine. Es war dichter Verkehr, die Ausflügler kehrten von der Ostsee zurück und waren noch nicht wieder ganz in der Realität angekommen. Matthias auch nicht, aber um so vorsichtiger fuhr er, als ihm genau das bewußt wurde.

Es war noch nicht fünf Uhr, als er in Wandsbek ankam. Die Schleiermacher-Straße fand er schnell, es war eine dieser unzähligen Hamburger Wohnstraßen, gesäumt von alten Bäumen, schöne Altbauten auf jeder Seite, mehr oder weniger gepflegt, aber netter anzuschauen als diese gesichtslosen Neubaubunker. Die Wohnungen boten in der Regel viel Platz, man hörte nicht jeden Pups der Nachbarn, und so mancher Dachboden war ein kleines Paradies geworden, unscheinbar von außen, aber um so bemerkenswerter von innen. Und wunderbar geeignet, um frei und unbeschwert zu wohnen.

Niemand konnte hineinsehen, niemand klopfte über einem auf den Fußboden, wenn es mal ein wenig laut wurde, und aus den Fenstern hatte man eine unbeschreibliche schöne Aussicht über die Dächer der Großstadt,was besonders abends seinen Eindruck nicht verfehlte. Matthias hatte bei Freunden oft den ganzen Abend am Fenster gesessen und die ganz besondere Atmosphäre genossen.

Da war die Nr. 28. Ein Haus wie jedes andere. Keine Besonderheiten zu bemerken. Und richtig, es war eine Klingel mit dem Namen Siebeck dabei, ganz oben. Dritter Stock stand in der Mail. Paßte. Sein Herz fing wieder an zu klopfen. "Ruhig Blut!", sagte Matthias laut zu sich selber, "Du hast schon andere Situationen heil überstanden!"

Ein Blick auf die Uhr, er hatte noch fast eine Stunde Zeit. Immerhin besser, als zu spät zu kommen, das hätte er sich nie verziehen. Er faßte den Entschluß, frische Luft zu schnappen und ein wenig spazierenzugehen. Das konnte nur gut für ihn sein. Der Kopf würde freier, die Gedanken klarer. Leider hatte es just als er ankam angefangen zu regnen. Nicht das erste Mal an diesem Tag. Es war Mitte Oktober, und in diesem Jahr war es nicht gerade ein goldener.

Mit dem Regenschirm bewaffnet lief Matthias los. In der Nähe war ein kleines Einkaufszentrum, die Läden waren noch offen, aber kaum jemand unterwegs. In einer kleinen Bäckerei kehrte er ein, wärmte sich auf und gönnte seinem halbleeren Magen ein Stück Kuchen. Eine Tasse Kaffee dazu tat unheimlich gut, er merkte, wie die Lebensgeister erwachten. Und wie plötzlich die Lust in ihm hochkam. Die Mischung aus Angst und Vorfreude änderte sich langsam zugunsten der Freude.

War es wirklich "DIE einmalige Chance", die da auf ihn wartete? Sollte sein Leben doch noch einen Weg gehen, der seinem Traumpfad - ähnlich dem der Aborigines - nahe kam?

Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, daß er schon viel zu lange dasaß und nachdachte. Schnell bezahlte er, nahm seinen Schirm und lief schnurstracks zur angegebenen Adresse zurück. Sein Auto stand noch brav im Regen und wartete auf ihn. Er ließ es stehen und wandte sich dem Haus zu. Noch zwei Minuten, puh, das hätte ins Auge gehen können. Wenn er ins Träumen kam, hatte er schon oft die Zeit vergessen.

Punkt 18 Uhr drückte er auf die Klingel mit dem Namen Siebeck. Eine junge, weibliche Stimme meldete sich: "Hallo?!" Matthias fragte nach Cora, und schon summte der Türöffner. Die Tür schloß sich hinter ihm, und er stand in einem wunderschönen Jugendstil-Treppenhaus, sanft und stilvoll beleuchtet. "Dritter Stock" hatte man ihm mitgeteilt. Dritter Stock Altbau war schon ein nettes Stück Arbeit.

Matthias wußte nicht, ob ihm das Herz wegen der Anstrengung oder der Aufregung bis zum Hals schlug. Aber er kam bald oben an und atmete ein paarmal tief durch. Ganz untrainiert war er nicht, also wars wohl doch die Aufregung. Die tiefen Atemzüge taten ihre Wirkung, er entspannte sich langsam und schaute sich um.

In der offenen Tür der rechten Wohnung stand ein Engel. Jedenfalls hätte es gut einer sein können. Eine zarte junge Frau stand da in einem langen, seidig glänzenden, hellblauen Gewand. Ihre blonden langen Haare hatten einen goldenen Glanz, ihr Lächeln war wahrlich das eines Engels. Ihre Hände steckten in ebenso seidig glänzenden, feinen weißen Handschuhen, ihre Füße verschwanden unter dem weich fallenden Stoff. Es war ein göttlicher Anblick! Sie hatte ihren Blick unverwandt auf Matthias geheftet und lächelte ihn ermutigend an.

"Komm doch rein!" sagte sie mit sanfter, schmeichelnder Stimme. Matthias gab sich einen Ruck und folgte der Einladung. Er spürte, hier drohte ihm kein Ungemach. Er spürte aber auch die gewisse Distanz zwischen dem Engel und ihm.
"Komm, gib mir Deine Jacke und Deinen Schirm, die sind ja ganz nass, zieh Deine Schuhe aus und hier diese an. Und entspann Dich, wir beißen nicht!", sprach der Engel.

Matthias gehorchte, er kriegte immer noch kein Wort heraus. Schließlich nahm er sich zusammen und sagte: "Erstmal einen schönen guten Abend! Ich bin Matthias. Und ganz herzlichen Dank für den netten Empfang! Damit hatte ich so ehrlich gesagt nicht gerechnet. Es ist nicht ganz einfach für mich, hierher zu...."

"Psst", machte der Engel und legte Matthias die Hand auf den Mund. "Du bist jetzt hier. Punkt. Ich heiße Sabine und bin für Dich da. Vertraue mir, ich werde bei Dir bleiben, solange Du hier bist. Es wird Dir nichts Böses passieren, dafür stehe ich mit meinem Wort. Laß uns hier rein gehen und erstmal ein bißchen miteinander reden. Magst Du einen Tee? Mach's Dir bequem, ich komme gleich wieder. Wir haben noch ein wenig Zeit, meine Herrin ist noch nicht bereit, Dich zu empfangen."

Matthias machte es sich auf dem Sofa bequem und versuchte, sich ganz tief zu entspannen. Der Raum strahlte eine unglaubliche Harmonie aus, warme Farben, Tageslichtlampen, Pflanzen, asiatisch anmutende Dekorationen, eine Oase des Wohlgefühls. Bestimmt hatte die Besitzerin Ahnung von Feng Shui. Er hatte irgendwie das Gefühl, angekommen zu sein. Aber wo?!...

Sabine kehrte zurück mit zwei dampfenden Tassen Tee. Ein wunderbarer Duft verteilte sich im Raum. Kam er vom Tee oder von ihr? Sie trug immer noch das engelsgleiche Gewand und schaute Matthias freundlich und offen an. Mit beiden Händen reichte Sie ihm die große Tasse, er griff vorsichtig danach und nahm einen ersten Schluck. Was ihm im Augenwinkel begegnete, ließ ihn fast die Tasse fallenlassen. Im letzten Moment bewahrte er die Contenance und setzte sie sanft auf der Tischplatte ab.

Sabine trug nun keine Handschuhe mehr. Matthias hatte selten so schöne, sanfte, engelsgleiche Hände gesehen. Doch was sein Herz einen heftigen Sprung machen und schon wieder bis zum Hals klopfen ließ, war die schlichte Tatsache, daß diesen wunderschönen Händen etwas eigentlich ganz Selbstverständliches völlig fehlte: die Fingernägel. Jedem normalen Menschen hätte diese Tatsache einen Schauer der Angst oder Abscheu über den Rücken gejagt. Matthias aber war kein "normaler" Mensch, deshalb war er ja auch hier, hatte sich bedingungslos in dieses Abenteuer gestürzt.

Er hatte seit seiner Kindheit einen Traum, der mit der Pubertät zu einer lustbesetzten Fantasie wurde: eben genau solche Hände zu haben, wunderschöne, sensible Hände - ohne Fingernägel. Er hatte auch sehr bald gemerkt, daß ihn schmerzhafte Manipulationen an seinen Fingernägeln regelrecht "heiß" machten.

Was andere Menschen als schrecklich empfanden, war für ihn der Gipfel der Lust: Nadeln und allerlei vorstellbare und unvorstellbare Dinge, die mit heftigsten Schmerzen verbunden waren. Und eben ganz speziell an seinen Fingernägeln. Wobei er nicht böse gewesen wäre, wenn die Manipulationen den Verlust des einen oder anderen zur Folge gehabt hätten. Sein innerster, sehnlichster Traum war immer schon ein Leben "ganz ohne" gewesen.

Und nun saß da eine engelsgleiche junge Frau ihm gegenüber, die genau diesen Traum real lebte. Leben mußte? War es nur ein Zufall, ein Erbfehler? Ja, sicher, anders konnte es unmöglich sein! Eine junge Frau, die solche Träume mit ihm teilte?! Und dann auch noch umsetzte!? Völlig ausgeschlossen! Sowas gab's noch nicht mal im Fernsehen. Aber immerhin im Internet. Das Bild aus vergangenen Jahren auf dieser ominösen Sexseite fiel ihm wieder ein...

"Hallo, Matthias!" Er schaute auf. Sabine saß ganz nah vor ihm. Sie schaute ihn an, ließ ihren Blick auf seine Hände sinken und hob ihn wieder, bis sie gerade in seine Augen schaute. "Ich weiß, was in Dir vorgeht! Ich habe Deine Bewerbung für meine Herrin gelesen und wußte sofort, daß Du ein ganz besonderer Gast in unserem Hause sein würdest.

Du wirst es wahrscheinlich nicht glauben, aber wir beide sind uns in gewisser Beziehung sehr, sehr ähnlich! Ich habe meiner Herrin unendlich viel zu verdanken, eigentlich mein ganzes Leben! Ja, seit ich bei ihr bin, lebe ich erst wirklich! Ich bin sicher, Du verstehst, was ich meine! Cora ist eine wunderbare Frau, Du wirst es merken. Heute wird ein ganz besonderer Tag für Dich sein! Doch nun ist keine Zeit mehr zum Reden! Sammel Deine Gedanken, hab keine Angst, freu Dich auf die Begegnung mit meiner Herrin und die nächsten Stunden mit ihr!"

In der Tür, die sich nun plötzlich an der Seite des Zimmers öffnete, die vorher wie eine durchgehend feste Wand wirkte, stand eine bemerkenswerte Frau. Cora, Sabines Herrin. Groß, schwarzhaarig, sinnliche, rote Lippen, bekleidet mit einem schwarzen Outfit, das eine Mischung aus einem stilvollen, langen Kleid und einem der typischen SM-Kostüme darstellte. Es strahlte Eleganz aus, aber auch Macht - die Frau darin nicht minder.

Eine klare, feste Stimme, die Vertrauen einflößte, aber auch keinen Deut Zweifel erlaubte, wer hier das Sagen hatte, forderte Matthias auf, in den Nebenraum zu kommen.
Er gehorchte sofort, aber auch ohne Angst. Das Gespräch mit Sabine, die sich still und ehrerbietig in eine Ecke des Raumes auf ein großes Sitzkissen verzogen hatte, hatte ihm Mut gemacht und das Gefühl gegeben, nicht umsonst hierher gekommen zu sein. Es würde wohl tatsächlich so sein: nach diesem Abend würde sein Leben ein anderes werden. Doch er ließ sich keine Sekunden länger seinen Gedanken nachhängen, Herrin Cora war von nun an die einzige, oberste Instanz.

Cora machte nicht viele Worte. Sie bedeutete Matthias, sich auszuziehen, ja, ganz...! Er schluckte, aber folgte ihrem Willen. Etwas ungewöhnlich war das ja schon, aber Gewöhnliches hatte er ja auch nicht erwartet. Sie betrachtete ihn langsam und gründlich von oben bis unten und sagte kein Wort.

Schließlich ließ sie sich seine Hände reichen und schaute sie lange an. "Du hast mit Sabine Tee getrunken?" fragte sie ihn. Mehr als ein leises Ja kriegte er nicht zustande. Um ihre Mundwinkel spielte ein eigentümliches Lächeln, ein wenig Wehmut, ein wenig Glück, ein wenig Traurigkeit waren darin zu erkennen. Dann fing sie sich und war wieder ganz die Herrin Cora.

"Geh in das Zimmer dort drüben und setz Dich auf den Stuhl! Keine Angst, Du wirst nicht frieren, dort ist es schön warm." Matthias, der so splitterfasernackt schon angefangen hatte zu frösteln, ging ins Nebenzimmer, das recht dämmerig war, und schaute sich um. Einziges Möbelstück war ein großer Stuhl, eher ein Sessel, mit eigentümlichen Armlehnen. Sie endeten jeweils in einer hölzernen Hand, genau so groß wie ein menschliches Original. Die Rückenlehne war seltsam geformt und reichte bis über den Kopf. Die anderen Objekte im Zimmer, waren es nun Regale oder kleine Tischchen, waren mit schlichten Stoffen verhängt. Er wagte nicht, darunter zu schauen. Schließlich setzte er sich gehorsam hin.

Wie ein Engel schwebte Sabine in den Raum und sagte leise zu Matthias: "Die nächsten Stunden wirst Du nichts sehen können, aber um so mehr fühlen!" Mit sanfter Hand legte sie ihm eine schwarze Schlafbrille über die Augen und befestigte sie mit mehreren Bändern fest an seinem Kopf. "Hab keine Angst, laß Dich fallen und genieße! Du wirst diesen Abend nie vergessen!"

Matthias mußte wieder schlucken,aber er sah ein, keine andere Wahl zu haben, und fügte sich seinem Schicksal. Komme, was da wolle, Sabine war wieder bei ihm und gab ihm das Gefühl, daß ihm nichts widerfahren würde, das ihm nicht guttäte. Er spürte, daß auch Cora angekommen war und nun beide Frauen anwesend waren. Dann wurde es still.

Dunkel war es für ihn ja eh. Er versuchte, seine Ohren zu aktivieren, aber das half ihm wenig. Ein wenig Stoffrascheln, ein bißchen Knistern, ein paar unerklärliche Geräusche, sonst nichts. Cora und Sabine schienen sich wortlos zu verstehen, eine perfekte Harmonie zu bilden.

Er fühlte, wie sich feste Bänder oder Riemen um seine Arme und Beine schlossen, wie er offensichtlich auf dem großen Stuhl Stück für Stück befestigt, nein: gefesselt wurde! Sein Herz fing an zu klopfen. Einerseits war das irgendwie angsteinflößend, andererseits gab es ihm auch ein eigentümliches Gefühl der Sicherheit, fest und unverrückbar Halt zu haben, wenn die beiden noch mehr mit ihm vorhätten.

Von Cora und Sabine gefesselt zu werden, war seltsamerweise auf eine ganz bestimmte Art und Weise schön. Als er sich schon völlig bewegungs- und wehrlos wähnte, spürte er plötzlich, wie sich etwas Festes, Hartes um seine Finger schloß. Es erinnerte ihn an die metallenen Schlauchschellen, mit denen er im Sommer den Gartenschlauch verlängert und befestigt hatte. Ihm fielen die speziellen Armlehnen des Stuhles ein, auf dem er saß. Da wurde ihm schlagartig klar, daß er von nun an noch nicht einmal mehr eine Fingerspitze bewegen können würde. Was immer auch mit ihm passierte, er könnte noch nichtmal einen Millimeter zur Seite zucken.

Und wieder merkte er, daß ihm dieser Umstand andererseits eine Art von Wohlbefinden vermittelte.

Er beschloß, von nun an das Denken vollständig einzustellen und sich vollständig fallenzulassen. Wie hatte doch Hermann Hesse gedichtet:

"Hingabe, Du, Urmutter aller Lust,
Die ich floh, die ich so oft verflucht,
Die mich dennoch immer hat gesucht,
Endlich werf ich mich an deine Brust!"

Er hatte Hermann Hesse schon immer sehr gemocht, nun begann er, auch dieses Gedicht wirklich zu verstehen. Von einer "Ahnung von Erlösung und Erbarmen" war da die Rede, von einer "Liebe, die mich ganz erkennt". "Willig folg ich Dir durch Blut und Angst", hatte Hesse weiter gedichtet. Matthias ahnte, daß er nah daran war, Hesses Worte nachvollziehen zu können. Und er gab sich völlig hin.

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