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Freiin Cornelia Teil 02

Geschichte Info
Unsere Heldin lernt das wahre Leben kennen.
6k Wörter
4.43
33.7k
1

Teil 2 der 2 teiligen Serie

Aktualisiert 07/21/2022
Erstellt 08/09/2011
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Viel Spaß beim Weiterlesen.

Nachdem wir in dieser Nacht nichts mehr tun konnten, um das schreckliche Unglück rückgängig zu machen, entschieden wir uns, zunächst das Wohnzimmer wieder in Ordnung zu bringen. Nanescha wischte die okkulten Zeichen vom Parkett und ich fegte die auf dem Boden verstreuten Zauberzutaten zusammen. Gemeinsam rollten wir den Teppich wieder in der Mitte des Zimmers aus. Der Fremde, der durch meine Unerfahrenheit und Ungeschicklichkeit in unserer Welt gestrandet war, sah uns verständnislos mit seinen pupillenlosen, goldgesprenkelten Augen zu und betrachtete ängstlich seine Umgebung. Die Idee geschlossener Räume und menschlicher Einrichtungsgegenstände schien ihm unvertraut zu sein. Auch noch die Möbel an ihren angestammten Ort zu rücken, war uns in diesem Augenblick zu viel Mühe, daher ließen wir uns nach den gröbsten Arbeiten einfach erschöpft auf den weichen Teppich sinken.

Nanescha hatte nur ihr schlichtes Wollkleid über ihren verschwitzten Körper gezogen. Ich ersparte mir, mein Oberkleid anzuziehen und hockte mich lediglich mit Hemd und Höschen bekleidet ihr gegenüber. Als wir zur Ruhe kamen, gesellte sich der Mann, der bisher abseits gestanden war, um uns nicht im Weg zu sein, zu uns. In einer eleganten Bewegung ging er neben uns in den Schneidersitz. Auch ihm klebte noch der Schweiß am Körper, aber sein Geruch war nicht unangenehm. Eher schien er nach einem heißen Sommertag und überreifen Früchten zu duften.

Vollkommen unbekleidet zu sein war für ihn offenbar der natürlichste Zustand. Mich irritierte es aber zunehmend, selbst nur ungenügend verhüllt zu sein. Zumal ein nacktes Mitglied des anderen Geschlechts, auch wenn er einer völlig anderen Art angehörte, kaum eine Armeslänge entfernt zugegen war. So sehr ich mich auch um die Wahrung der guten Sitten bemühte, immer wieder stahlen sich meine Augen neugierig dorthin, wo sein erschlafftes Glied einer matten Schlange gleich auf den Teppich hinab hing. Auch wenn er daran keinen Anstoß nehmen würde, wäre es mir im höchsten Maße peinlich gewesen, wenn Nanescha bemerken würde, wie wenig ich mich unter Kontrolle hatte.

Ich riss mich zusammen und sah bewusst zu meiner Freundin hinüber. Sie hatte sich wieder beruhigt und wirkte müde aber auch irgendwie zufrieden. Noch immer klebten nasse Strähnen ihres langen schwarzen Haares an ihren Wangen und sie strich sie unbewusst zurück.

„Was machen wir jetzt bloß?", fragte ich unsicher.

„Ich weiß es nicht. Ich kenne keine Möglichkeit, das was geschehen ist, rückgängig zu machen. Und selbst wenn es einen Weg gäbe, bin ich im Augenblick zu erschöpft, um ihn zu gehen."

„Ja, selbstverständlich", ich nickte, „du hast dich geopfert, obwohl ich den entscheidenden Fehler gemacht habe, und ich bin dir sehr dankbar dafür. Ich kann mir vorstellen, welche Überwindung es dich gekostet haben muss."

Ich verstand nicht, weshalb mir ihr Blick unter den halb geschlossenen Lidern plötzlich durchtrieben und fast mitleidig vorkam, als wüsste sie etwas, das sie mir vorenthalten wollte.

„Nur eine Frage noch", fuhr ich fort, „du sagtest, er sei vom unsichtbaren Volk. Was meinst du damit?"

„Wir haben schon oft darüber gesprochen, aber offenbar hast du mir nicht richtig zugehört", tadelte sie mich und ich fühlte Beschämung in mir aufsteigen, „die Natur ist nicht leer und geistlos, wie die meisten Menschen glauben, sondern jede Pflanze, der Erdboden, selbst jedes Gewässer und der Wind sind von Leben erfüllt. Die Naturwesen, die alles um uns bevölkern, können wir jedoch normalerweise nicht sehen, deshalb nennen wir sie das unsichtbare Volk. Trotzdem sind sie immer da. Nur wenige weise Seher haben die Fähigkeit, sie zu erkennen. Andere, wie meine Großmutter, und ich von ihr, haben die Fertigkeit erlernt, durch die Macht besonderer Zauber in die unsichtbare Welt zu blicken. Wir nutzen diese Magie aber sehr selten, denn die Naturgeister sind scheu und schätzen es nicht, von uns beobachtet zu werden. Daher sehen wir auch nie in die unmittelbare Umgebung, sondern öffnen ein Fenster an einen zufälligen, weit entfernten Ort. Das macht unsere Situation hier und heute hoffnungslos, denn ich wüsste nicht einmal, woher er stammt und wie wir diesen Ort ein zweites Mal erreichen könnten."

Eines ihrer Worte hatte mich hellhörig gemacht. Ich beugte mich so nah wie möglich zu Nanescha und flüsterte ängstlich: „Ist er ein -- Geist?"

Furchtsam beobachtete ich ihn aus den Augenwinkeln, darauf gefasst, dass er sein wunderschönes Äußeres aufgeben und zu einer schrecklichen Spukgestalt mutieren würde. Er aber saß nur stumm da und blickte angestrengt von ihr zu mir und zurück, während er vergeblich versuchte, unserer Unterhaltung einen Sinn zu entnehmen.

„Nein, nicht in der Weise, die du meinst,", Nanescha lachte hell auf, „es gibt unzählige verschiedene Arten von Naturwesen, die wir nur der Einfachheit halber als das unsichtbare Volk zusammenfassen. Keines von ihnen ist auch nur im Entferntesten den Figuren deiner Gespenster- und Schauergeschichten ähnlich. Unser Gast hier gehört einer Art an, die uns Menschen besonders gleicht. Ich nenne sie am liebsten Elfen. In anderen Gegenden sagt man auch Elben, Sidhe, Dschinns oder Dämonen zu ihnen. Wobei letzterer Name einzig davon zeugt, dass die Menschen dazu neigen, das Böse, das in ihnen selbst wohnt, gedanklich auf das Fremde und Unbekannte zu übertragen."

Ihren Tonfall, belehrend und von oben herab wie zu einem kleinen Kind, empfand ich als unangemessen. Andererseits musste ich zugeben, dass ich, verglichen mit ihr, tatsächlich nur ein Kind war, was die Kenntnisse über unseren Besucher anging. Sie wusste sicher, wie man am besten mit ihm umgehen müsste. Diese Gewissheit gab mir spürbare Sicherheit und ich entspannte mich. Ich wagte es nun, den Elfen offen und ohne Vorbehalte anzusehen. Abgesehen von seinen Augen hätte man ihn wirklich für einen Menschen halten können, einen besonders wohlgestalteten und attraktiven Menschen. Bei diesem Gedanken fiel mir stärker als zuvor auf, dass er noch immer nackt war. Wenn er länger bei uns bleiben würde, was wohl der Fall war, mussten wir etwas dagegen unternehmen. Ich stand auf. Nanescha sah mich fragend an.

„Ich hole etwas für ihn zum Anziehen. Wartet hier bitte."

Ich betrat das Zimmer meiner Eltern und öffnete zum ersten Mal seit ihrem Tod ihren Kleiderschrank. Mein Stolz, eine eigenständige Entscheidung getroffen zu haben, die uns in unserer misslichen Lage helfen würde, verflog und eine leichte Beklemmung überkam mich, als ich die Kleidungsstücke erkannte, die Vater und Mutter zu ihren Lebzeiten getragen hatten. Doch ich versuchte, die sachliche Seite meines Vorhabens zu sehen, und verdrängte die aufkommende Trauer. Ich war, de jure und de facto, Herrin in diesem Haus und musste lernen, eigenverantwortlich zu handeln und zu tun, was notwendig war. Mit einigen Hemden und Hosen, die mir auf den ersten Blick für unseren Gast passend erschienen, kehrte ich ins Wohnzimmer zurück. Aber sobald ich Nanescha sah, verließ mich der Anflug von Mut. Würde sie meine Absicht gut heißen?

Ich war erleichtert, dass Nanescha sofort die Initiative ergriff und dem Fremden ein paar Stücke aus dem Bündel entgegen hielt. Mit ausführlichen Gesten und gutem Zureden versuchten wir, ihm klar zu machen, was er mit den unbekannten Dingen tun sollte. Die Hemden passten ihm leidlich, um den Bauch herum waren sie zu weit, an den Schultern dagegen zu eng. Das Konzept von Hosen wollte er aber anscheinend gar nicht begreifen, zumal sie für seine Statur zu weit und zu kurz waren. Ich konnte mich beim besten Willen nicht dazu überwinden, ihm die Beinkleider selbst anzuziehen oder ihm durch Vormachen zu demonstrieren, wozu die Stoffröhren dienten. Meine Freundin war mir dabei auch keine große Hilfe. Sie sah ihm nur grinsend zu, wie er an dem ungewohnten Hemd, das sich über seinen Oberkörper spannte, herum zupfte. Hosen schienen ihr nicht wichtig zu sein.

„Es passt nicht", stellte ich entmutigt fest.

„Ich kann es anpassen", schlug Nanescha vor, „bringe die Sachen in meine Kammer. Ich habe mein Nähzeug dort."

Sie nahm den Elfen bei der Hand und führte ihn durch den Flur zu dem Zimmer, das ich ihr überlassen hatte. Ganz offensichtlich machte es ihr eine diebische Freude, dabei auf den Saum seines kurzen Hemdes zu schielen, unter dem beim Gehen seine hin und her schwingende Männlichkeit hervor lugte. Ich folgte ihnen mit den Armen voller Kleidungsstücke.

In ihrem Zimmer schien Nanescha Spaß daran zu finden, ihm wie einer lebenden Kleiderpuppe verschiedene Teile anzulegen und auszuziehen, was mich bald ungeduldig machte. Sie sollte lieber endlich beginnen, Maß zu nehmen und die Hemden abzunähen. Aber ich bezähmte meinen Ärger, denn schließlich war es meine Schuld gewesen, dass wir in dieser Patsche steckten. Und jetzt war es schon die zweite Gelegenheit, in der sie die Situation rettete. Ich sollte ihr gegenüber dankbarer sein. Meine Anwesenheit nahmen die beiden ohnehin fast nicht mehr wahr.

Ich stand auf, wünschte eine gute Nacht und ging hinaus. Auf dem Flur entschied ich mich aber, nicht sofort zu Bett zu gehen, sondern noch einmal nachzusehen, ob es im Fundus meines Vaters vielleicht noch andere, besser passende Kleidung für unseren Gast gab. Mit einer Kerze in der Hand schlich ich auf den Dachboden und fand tatsächlich eine Truhe, die ich schon fast vergessen hatte. Sie enthielt Sachen, die mein Vater als junger Mann getragen hatte. Es waren hauptsächlich Uniformteile, aber auch ein paar schlichte weiße Hemden und schwarze Hosen, die Nanescha bestimmt so ändern konnte, dass sie ihm passten. Froh, endlich etwas Nützliches getan zu haben, eilte ich mit meinen Schätzen zu den anderen.

Ich stieß die Tür auf und bleib abrupt stehen. So wie mich beide ansahen, packte mich das Gefühl, unerwünscht hereingeplatzt zu sein. Nanescha kniete vor dem Elfen und sah ertappt und betreten aus, was für sie wirklich ungewöhnlich war. Ein Hauch von Röte überzog ihr Gesicht, als sie erklärte: „Ich wollte gerade im Schritt Maß nehmen."

„Äh, ja, natürlich", stammelte ich und warf die neuen Kleider auf das Bett, „ich habe noch ein paar Sachen gefunden, die vielleicht besser passen. Lass dich nicht von mir abhalten. Schließlich braucht er seine Hosen morgen."

Ich trat den Rückzug an und zog die Tür hinter mir zu. Auf dem kurzen Weg zu meinem Zimmer grübelte ich über die seltsame Atmosphäre eben zwischen den beiden nach, konnte mir aber keinen Reim darauf machen. Hatte es eventuell etwas damit zu tun, dass das Glied des Elfen wieder aufgerichtet gewesen war und von der Spitze bis zur halben Länge feucht geschimmert hatte?

Ich wusch mich und ging zu Bett, fand aber lange keine Ruhe. Die Ereignisse des Abends hatten mich zu sehr aufgewühlt. Sobald ich die Lider schloss, schob sich das Bild des nackten Mannes vor mein inneres Auge und mein Herz klopfte ungewohnt schnell und stark.

Nach einiger Zeit drangen durch die dünne Wand aus Naneschas Zimmer Geräusche, die ich nur so interpretieren konnte, dass sie noch einmal die Bürde auf sich genommen hatte, seine Wut zu lindern. Komisch, der Elf hatte nicht mehr den Eindruck gemacht, als sei er noch verärgert und müsse ein zweites Mal besänftigt werden. Vielleicht hatte ihn die Aussicht, Kleidung tragen zu müssen, aufgebracht und meine Freundin hatte keinen anderen Ausweg mehr gesehen, um Schlimmeres zu verhindern? Aber so sehr ich mich auch bemühte, ich konnte sie deswegen nicht mehr bedauern. Ich lauschte auf jeden Ton, den die beiden verursachten, und verband ihn mit den Eindrücken, die ich im Wohnzimmer aufgesogen hatte. Ich stellte mir vor, an der Stelle meiner Freundin zu sein und versuchte nachzuempfinden, welche Gefühle sie erleben musste, um derartige Laute auszustoßen. Ich wurde zusehends unruhiger, mir wurde heiß, als litte ich an Fieber, und an Ruhe war nicht mehr zu denken. Erst nachdem es wieder still geworden war, verschwanden die unerwünschten Bilder und Gedanken aus meinem Kopf und ich fiel endlich in einen unruhigen Schlaf.

Am nächsten Morgen traf ich unseren Gast perfekt angekleidet vor. Hemd und Hose passten wie für ihn maßgeschneidert, und eine neue Welle der Dankbarkeit an meine Freundin überkam mich. Auch sie schien mit ihrem Werk sehr zufrieden. Obwohl sie sicherlich eine anstrengende und kurze Nacht gehabt hatte, wirkte sie aufgeblüht und ihre Augen leuchteten.

Nach dem Frühstück nahm ich den jungen Mann auf einen Spaziergang über mein Gut mit. Meine beiden Knechte wahrten bewundernswerte Haltung, gingen ungerührt ihrer gewohnten Arbeit nach und kommentierten das plötzliche Auftauchen des Unbekannten oder sein ungewöhnliches Aussehen weder mit Worten noch mit Blicken.

Mein Gast erfreute sich unterwegs offenkundig an den zahlreichen Blumen und beugte sich immer wieder hinab, um über die zarten Blütenblätter zu streichen und an den Kelchen zu riechen. Mir kam der Gedanke, ihm die Namen der Pflanzen in meiner Sprache zu nennen und er antwortete in seinen Worten, die vermutlich die gleiche Bedeutung hatten. So fanden wir einen Weg, voneinander zu lernen und uns nach und nach zu verständigen, indem wir die gleiche Methodik auch auf andere Dinge anwandten. Er war äußerst intelligent und lernte schnell -- vermutlich war dies eine besondere Eigenschaft seiner Rasse, so dass wir uns schon nach wenigen Tagen einigermaßen fließend unterhalten konnten. Er nannte mir auch seinen Namen, der allerdings zu lang und kompliziert war, als dass ich ihn fehlerfrei aussprechen konnte. Daher rief ich ihn mit seinem Einverständnis bei den ersten beiden Silben „Dago".

Ich fühlte mich immer stärker dafür verantwortlich, dass Dago hier weitab seiner Heimat gefangen war und wollte einen Weg finden, ihn zurück senden zu können. Als einziges Mittel dazu fielen mir die Bücher meiner Großtante ein. Ich versuchte, mich an Stellen zu erinnern, die unserer Situation ähnlich waren, und schlug sie nach. So sprang ich von Buch zu Buch, hierhin und dorthin, ohne einen Schlüssel für unser Problem zu finden. Nachdem mir auffiel, dass ich einen Text schon zum dritten Mal gelesen hatte, kam ich zu dem Schluss, dass diese Art der Suche wohl kaum erfolgreich sein würde. Ich begann also ein systematischeres Studium der Werke, nachdem ich sie grob nach Themengebieten sortiert hatte.

Dago saß die meiste Zeit bei mir und ermutigte mich, auch wenn er selbst wenig zur Lösung beitragen konnte. Er erklärte mir, dass er in seiner Welt kein Gelehrter oder Zauberer gewesen war, sondern Gärtner. Er verstand sehr viel von Pflanzen, wusste auch ein wenig über das Wettergeschehen und konnte reichen von weniger fruchtbarem Boden unterscheiden. Mit Beschwörungen oder magischen Reisen hatte er sich aber nie beschäftigt. Da ihm unsere Schriftzeichen zudem unbekannt waren, konnte er mich auch nicht direkt bei meiner Aufgabe unterstützen. Trotzdem empfand ich seine Nähe als anregend und wohltuend. Er war sehr geduldig, immer gut gelaunt und richtete mich auf, wenn ich nach langen fruchtlosen Stunden des Lesens niedergeschlagen war.

Auch Nanescha hatte nie lesen gelernt und konnte mir daher nicht helfen. Im Gegenteil glaubte sie, dass das Wissen, das wir benötigten, nie zwischen Buchdeckel gepresst worden sei. Die Überlieferungen der weisen Frauen wurden immer nur von Mund zu Ohr weitergegeben und im Gedächtnis bewahrt. Ich beschwor sie, ihre Erinnerungen zu erforschen, um einen Ausweg aus unserer Misere zu finden. Doch ich konnte mich zunehmend des Eindrucks nicht erwehren, dass sie nicht ernsthaft daran interessiert war, Dago fort zu schicken. Besonders morgens, wenn sie zumeist selig lächelnd aus ihrem Zimmer kam, lag ihr offenbar nichts ferner.

Es hatte sich eingebürgert, dass Dago die Nächte in ihrem Bett verbrachte, obwohl er, soweit ich erfahren hatte, gar keinen Schlaf benötigte. Und fast jede Nacht konnte ich hören, wie sich Nanescha erneut opferte. Das konnte ich mir nur so erklären, dass Dago ein Geschöpf der Nacht war und ihn zu diesen dunklen Stunden das Heimweh derart stark überkam, dass immer wieder sein Ärger aufwallte, den meine Freundin dann schlichten musste. Aber ich wagte es nie, sie oder gar ihn darauf anzusprechen.

Die hellen Tage verbrachte er meist in meiner Gesellschaft. Die Dauer und die Häufigkeit meiner Bücherstudien nahm derweil stetig ab. Tatsächlich fand ich in den Schriften, wie Nanescha vorausgesagt hatte, keinen Hinweis auf eine Lösung unseres Problems. Stattdessen bemühte ich mich, den Gefangenen durch ausgedehnte Spaziergänge zu erheitern. Während der Ausflüge in der freien Natur fühlte er sich am wohlsten. Nicht nur Blumen und sprießende Pflanzen erfreuten ihn. Auch die strahlende Sonne und der durch die sich langsam verfärbenden Blätter streichende Wind machten ihn glücklich. Sogar fallender Regen ließ ihn auflachen, denn durch ihn erhielten die Pflanzen das lebensspendende Wasser. Ich stellte fest, dass sein fröhliches Wesen auf mich abfärbte und ich begann, die Natur und das Leben um uns herum mehr zu schätzen als alle Bücher und Geschichten. Bald konnte ich mir kaum mehr vorstellen, wie mein Leben ohne ihn gewesen war.

Nanescha schlief nun oft in den Tag hinein, um sich von den Anstrengungen der Nächte zu erholen. Aber sie beklagte sich nie. Im Gegenteil, manchmal kam sie tagsüber zu uns und lud Dago von sich aus zu einem Spaziergang ein, damit ich ein wenig Zeit für mich hätte. So großzügig und dankenswert diese Gesten auch waren, verwunderte ich mich doch, dass Nanescha gar keine Zeit mehr mit mir verbringen wollte. Es mussten auch besonders ausgedehnte und anstrengende Wanderungen sein, die sie zusammen unternahmen, denn jedes mal kamen sie erst nach langer Zeit zurück und wirkten erhitzt und ermattet.

Die Zeit verging und mit ihr meine Hoffnung auf ein gutes Ende unserer Geschichte. Wenn es das Wetter zuließ, setzte ich mich auf eine Gartenbank und genoss melancholisch die letzten wärmenden Sonnenstrahlen des Herbstes, während ich zusah, wie Dago in den Beeten arbeitete. Dort wo er seine Hand anlegte, wuchsen die Pflanzen danach am schönsten und gesündesten. Sogar meine Knechte bemerkten dies und konnten eine gewisse Anerkennung für seine Kunstfertigkeit nicht verhehlen. Dadurch keimte in mir die Hoffnung, dass Dago, auch wenn wir nie den Rückweg in seine Heimat finden konnten, bei uns wenigstens eine Aufgabe und ein erfülltes Leben haben würde.

Je weiter der Herbst voranschritt und der Winter seine ersten Ausläufer sandte, desto mehr Sorgen machte ich mir. Immer weniger Zeit konnten wir im Freien verbringen. Die dunklen Nächte wurden dagegen immer länger. Nanescha schien dies zwar nichts auszumachen. Fieberte sie doch geradezu täglich dem Einbruch der Dunkelheit entgegen, zu dem sie sich mit Dago zurückzog, sich um ihn zu kümmern. Ihrer Gesundheit konnte dies auf Dauer nicht zuträglich sein. Ich musste sie irgendwie von ihrer Bürde entlasten. Doch trotz meiner geringen Erfahrung war ich mir ziemlich sicher, dass es sich für eine unverheiratete Dame meines Standes nicht geziemte, solcherlei Dienste, wie ich sie einmal gesehen und mittlerweile oft gehört hatte, zu erbringen. Beim fahrenden Volk war das sicher etwas anderes, weshalb Nanescha keine Gewissensbisse haben musste.

Ich grübelte lange über dieses neue Problem nach, bis mir die Erleuchtung kam: ich musste Dago heiraten. Bei der Umsetzung meines Planes taten sich jedoch weitere Hindernisse auf. Ich fürchtete zu Recht, dass kein Priester diese Zeremonie vollziehen und unsere Ehe segnen würde. Viel eher würde man meinen Bräutigam, sobald man seiner nicht-menschlichen Augen ansichtig würde, als Dämon verleumden und ihn einsperren, wenn nicht Schlimmeres. Aber auch hierfür fand ich rasch eine Lösung. Nicht ein katholischer Priester, sondern Nanescha sollte unsere Verbindung segnen. Wer wäre besser dazu geeignet, als eine weise Frau, die beide Welten kannte? Doch als ich meiner Freundin meinen Wunsch offenbarte, war sie in keiner Weise davon begeistert.

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