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Junge Liebe Teil 14

Geschichte Info
Eine nicht ganz gewöhnliche Liebesgeschichte.
6k Wörter
4.7
58.6k
12

Teil 14 der 14 teiligen Serie

Aktualisiert 10/12/2022
Erstellt 01/04/2012
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Kapitel 2

Eine Geschichte über die Jugend, die Liebe und erste Male.

© 2012-2014 Coyote/Kojote/Mike Stone

XXXVII. - Epilog

Still stand Peter vor dem Grabstein und ließ den Kopf hängen. Die Trauergesellschaft im Hintergrund löste sich auf und ging ihrer Wege. Aber die Leute interessierten ihn gerade nicht.

Er sagte nichts. Es war schließlich nur ein Haufen Erde mit einem toten Körper darunter und einem Gedenkstein darauf. Kein... Tempel der Seele oder so etwas.

Er stand einfach nur da, starrte die Grabinschrift an und dachte an gar nichts. Hätte man ihn aufgefordert, etwas zu sagen, hätte er nicht einmal gewusst, was das wohl hätte sein sollen.

Als dann der bewölkte Himmel aufbrach und der kleine Friedhof, der zu seinem Heimatdorf ebenso gehörte, wie zum Nachbarort, in strahlenden Sonnenschein getaucht wurde, blickte er schließlich auf.

Das Timing war einfach zu perfekt, als dass nicht...

Fast musste er lächeln, als er die Schritte auf dem Kiesweg hörte.

„Bist du... fertig?", fragte Nadia sanft.

Peter nickte. Und dann drehte er sich um und sah seine Freundin an, die mit diesem kleinen Funken Sorge in den Augen seinen Blick erwiderte, den sie seit jener Nacht vor genau einem Monat immer zeigte, wenn er zu nachdenklich wurde.

So wie er es heute eindeutig gewesen war.

Langsam setzte er sich in Bewegung. Das Bein schmerzte noch immer, wenn er es belastete. Und das würde es auch noch eine ganze Zeitlang tun, sagten die Ärzte. Schließlich hatte er eine Kugel hinein bekommen.

Mit jedem leichten Zucken in seiner Miene wurde seine Freundin unruhiger und schließlich wartete sie nicht mehr länger, sondern glitt an seine Seite. Und er ließ sie unter seinen Arm schlüpfen und ihn ein wenig stützen.

Auch wenn das eigentlich wirklich albern war.

Und noch alberner wurde es, als wenige Schritte weiter Patty von der Bank aufstand, auf der sie gewartet hatte, und an seine andere Seite trat.

„Ich kann mittlerweile wieder alleine laufen", beschwerte er sich.

„Musst du aber nicht", gab seine... zweite Freundin zurück. „Du hast nämlich uns."

„Die Ärzte sagen, ich soll das Bein vorsichtig belasten", widersprach er.

„Und das hast du heute lang und schmutzig getan", wurde er belehrt.

Und zwar zweistimmig.

Widerspruch war demnach zwecklos.

Seufzend ergab er sich in sein Schicksal und sie verließen gemeinsam den Friedhof in Richtung Parkplatz. Dort stand Oma Renate zusammen mit dem Pastor, der die Grabrede gehalten hatte.

Als sie näherkamen blickte der Gottesmann auf und seufzte leise. Was ihm missfiel war Peter durchaus bewusst. Aber das war ehrlich gesagt das Problem des Kirchenmannes.

„Danke für die schöne Rede", sagte seine Oma zum Abschied zu ihm. „Sie hätte sich gefreut, sie zu hören."

„Sie hat es gehört, Renate", lautete die Antwort. „Sie ist jetzt bei unserem Vater im Himmel und hört und sieht alles."

„Da bin ich sicher", erwiderte die Rentnerin und schoss einen warnenden Blick in Richtung des Trios ab.

„Ich wünschte, er würde nicht nur zusehen, sondern auch mal was unternehmen, wenn die Kacke so richtig am Dampfen ist", murmelte Nadia dennoch.

„Ich versichere dir, meine Tochter", gab der Pater sofort zurück als hätte er nur darauf gelauert, dass sie das Wort ergriff, „Er sieht alles und am Ende aller Tage wird jeder für seine Taten gerichtet werden."

So ziemlich nichts auf der Welt hätte Peter dazu bringen können, sich in diese Diskussion einzumischen. Auch wenn er niemals von Nadia verlangen würde, ihre Meinung zurückzuhalten. Egal, was seine Oma davon hielt.

Aber die Art, wie der Pastor dabei nacheinander seine beiden Freundinnen abschätzig musterte und dann kurz einen strafenden Blick auf ihn warf, war inakzeptabel.

Es lag auf der Hand, dass es dem Priester nicht gefiel, auf seinem Friedhof zwei Frauen anzutreffen, die in seinen Augen wohl ‚frivol' gekleidet waren. Wobei Peter fand, dass sie sich, dem heutigen Anlass gemäß, sogar noch sehr zurückhielten.

Beide trugen schwarze Kleider, die bis zur Mitte der Oberschenkel reichten und vorne hochgeschlossen waren. Nur die Rückenausschnitte waren mit verwegen noch ein wenig unzureichend beschrieben, weil sie wirklich bis hinunter zum Po reichten. Und die freie Haut sowie die enganliegenden Schnitte verrieten auch, dass es an Unterwäsche absolut sicher mangelte.

Aber das ging den Pfaffen verdammt noch mal nichts an. Und was er von den Gerüchten hielt, die über die drei kursierten, war Peter ebenfalls scheißegal.

„Wo war Gott eigentlich, als mich mein Bruder vergewaltigt hat?", fragte allerdings Patty, bevor er sich seine Worte zurecht gelegt hatte. „Bei einigen Dutzend Malen hätte er reichlich Zeit gehabt, mal was zu unternehmen, finde ich. Oder schaut er lieber zu?"

Der Pastor sah aus, als hätte man ihm einen Tintenfisch ins Gesicht geklatscht. Nach Luft schnappend suchte er nach einer passenden Erwiderung, aber er bekam keine Gelegenheit dazu.

„Sie entschuldigen uns?", fragte Nadia. „Wir müssen auf eine Orgie zu Ehren des Teufels."

Peter war nicht exakt nach Grinsen zumute, als sie alle in seinen Wagen stiegen. Und seine Oma sah aus, als wäre ihre Miene aus Granit. Aber sie sagte nichts, bis Nadia das Auto vom Parkplatz gesteuert hatte.

„Wenn ihr noch einmal so mit dem Pastor redet, werde ich euch alle der Reihe nach übers Knie legen", verkündete sie dann. „Ganz egal, wie sehr er es verdient haben mag."

„Ja, Oma", bestätigten sie alle drei nacheinander artig.

„Verlogene Lausebande!", beschwerte sich die Rentnerin daraufhin entrüstet. „Euch werd ich heimleuchten!"

Peter entspannte sich auf dem Beifahrersitz. Wie wütend sie wirklich war, hatte er nicht genau abschätzen können. Aber nun war klar, dass sie es ihnen nicht übel nahm.

Seit jener Nacht hatte sie sich verändert. Sie alle hatten sich verändert. Und manchmal machte es das schwer, die Reaktionen abzuschätzen, weil auch die sich natürlich verändert hatten.

Sie waren alle gerade dabei, mit den Veränderungen zurecht zu kommen.

*****

Walther war nicht wirklich überrascht, als er den Wagen des jungen Bübler erblickte, wie er sich der Auffahrt näherte. Er war selbst gerade ausgestiegen, nachdem er mit seiner Frau auf der Trauerfeier gewesen war. Soviel zumindest - da hatte Renate wohl recht - waren sie ihr schuldig gewesen.

Also hatte er sich von Elfriede den Sonntagsstaat herauslegen lassen und sich notgedrungen in Schale geworfen. Anders hätte seine Frau ihn nicht mitgenommen und zu Hause gelassen hätte sie ihn natürlich auch nicht.

Bei der Entscheidung zwischen unbequemem Anzug und lautstarkem Streit, der zu unbequemen Anzug führte, hatte er weise auf die Streiterei verzichtet.

Als er die Haustür geöffnet hatte, damit der Fritz schon einmal an die frische Luft konnte, fiel sein Blick auf die Fahrerin des Autos und er zögerte nicht, sich einzugestehen, dass er den Peter ein ganz klein wenig beneidete.

Zwar trug der Junge ordentliche Kleidung, aber seine Liebste - oder die eine seiner beiden Liebchen, wie es im Grunde unverkennbar wirklich war - hätte ihn nicht in den furchtbaren Aufzug gezwungen, den er so hasste. Sie zwang ja nicht einmal sich selbst in etwas, was ihr nicht gefiel.

Und insgeheim hatte er da auch nicht wirklich etwas dagegen.

„Diese Kinder", murmelte seine Frau kopfschüttelnd, als die drei zusammen mit Renate aus dem Wagen stiegen.

In ihrer Stimme lag eine gewisse Missbilligung, wie es auch zu erwarten war. Nicht, dass Walther selbst so sehr etwas an den engen, kurzen Kleidchen auszusetzen hatte, aber für eine Beerdigung - selbst wenn sie strenggenommen nicht direkt daran teilgenommen hatten - war es doch ein unpassender Aufzug.

„Als ich in dem Alter war...", schnaubte sie.

„Hättest du keinen Deut schlechter in so einem Kleid ausgesehen", hakte er unwillkürlich ein.

Elfriede fuhr herum und musterte ihn. Aber es lag weniger Schärfe in ihrem Blick, als er eigentlich ob seiner unbedachten Worte befürchtet hätte.

„Kaum schlechter?", fauchte sie, nicht ohne einen eindeutig spielerischen Unterton. „Warst du es nicht, der mir ein Liedchen auf meine beiden Hügel dichtete, die... Wie war das noch?"

„Alle anderen Berge dieser Welt in den Schatten stellen", half er ihr aus. „Sapperlot! Das weißt du noch? Ich dachte.. diese Peinlichkeit hättest du längst vergessen."

Nicht zum ersten Mal in den letzten Wochen, stockte Walther der Atmen, als seine Frau ihn mit einem Ausdruck anblickte, den er in den Jahrzehnten davor schon fast vergessen hatte. Kokett blinzelnd und mit einem Hauch Rot auf den Wangen, schmunzelte sie.

„Vergessen, wie du vor mir knietest und es sogar geschafft hast, nicht nur dauernd auf die Hügel zu starren, denen du dein Ständchen brachtest, Walther Müller?", hauchte sie leise. „Bei dem, was du danach mit mir und meiner armen, ahnungslosen Unschuld angestellt hast? Also wirklich..."

„Mach nur so weiter", brummte er ganz und gar nicht brummig, „dann zeig ich deiner Unschuld gleich noch einmal, was eine Harke ist."

Kurz verfluchte er das Vierergespann, das sie nun erreichte. Wären sie allein gewesen, hätten sie wohl nun gleich noch einmal gefeiert, dass sie so eine Art zweiten Frühling erlebten. Stattdessen musste er sich aber zusammenreißen und sich dem Ursprung dieses frischen Winds zuwenden, wenn man so wollte.

Denn wem sonst, wenn nicht diesen unmöglichen Kindern, war das wohl zu verdanken...?

Wieder einmal versetzte es ihn in Erstaunen, dass allen voran die kesse Blondine sich nicht mit einem Handschlag abspeisen ließ. Einmal hatte sie gezögert und sich bei Elfriede die Erlaubnis eingeholt, aber nun fiel sie ihm um den Hals und drückte ihn, wie sie es seit jener Nacht im Wald immer tat.

Und die kleine Patrizia, an die er nicht mehr guten Gewissens als das ‚Pfaffer-Mädchen' denken konnte, weswegen nicht nur er sie mittlerweile als die ‚Bübler-Patty' betrachtete, die sie nur dem Namen nach nicht war, tat es dem Wirbelwind sogleich nach.

Nur der Peter beschränkte sich, wie es eben seine weniger stürmische Art war, auf einen festen Händedruck. Renate hingegen drückte ihn rasch, wie sie es aber ja nun schon immer getan hatte.

Nachdem dann alle Umarmungen verteilt waren und auch Elfriede von jedem geherzt worden war, lud er sie alle ins Haus ein, wo er die Kinder mit an den Esszimmertisch nahm, damit die Frauen einen Kaffee aufsetzen konnten.

„Um der Wahrheit die Ehre zu geben, weiß ich nicht recht, was ich dir sagen soll", meinte er in Richtung von Patrizia.

„Schon okay", antwortete die gelassen. „Sie ist tot und ich bin nicht unglücklich deswegen."

„Ich bin sicher, sie wollte nie...", setzte er an.

„Sie wollte vielleicht nicht, aber sie hat, Onkel Walther", unterbrach die Kleine ihn. „Und sie hat auch ohne den Dachschaden, den Pierre ihr verpasst hat, schon lieber geschrien oder geschlagen und ihren Frust an mir ausgelassen."

Dagegen ließ sich nichts sagen, wie er eingestehen musste. Elvira Pfaffers Tochter war schon immer ein Sorgenkind gewesen. Hatte ihrer Mutter viel Kummer bereitet und keinen rechten Weg gefunden. Und niemand im Dorf hatte sich so recht aufraffen können, sie zurück auf die richtige Bahn zu führen.

„Ehrlich gesagt bin ich irgendwie erleichtert", sagte Patrizia noch. „Statt Tanja liegt nun meine Mutter unter der Erde, ich bin frei... und glücklich. Alles hat sich zum Guten gewendet."

„Dann ist die Tanja nun außer Lebensgefahr?", erkundigte er sich erfreut.

„Die Ärzte sagen, sie könne jeden Tag wieder zu Bewusstsein kommen, aber noch kann niemand etwas Genaues sagen", erklärte Peter.

„Na, wenn das mal nicht...! Hörst du, Elfriede? Die Tanja...", rief er.

„Jaja, Walther", kam die Antwort aus der Küche. „Ich weiß doch schon. Oder was glaubst du, worüber wir hier reden, du Torfkopf?"

„Werd mal nicht frech, Mädel", gab er vergnügt zur Antwort. „Sonst singe ich dir nachher nicht das Lied von den Hügeln."

Die Kinder verstanden diese Andeutung natürlich nicht. Sie lächelten, weil er mit seiner Frau ausgelassen scherzte. Aber Elfriede schob den Kopf ins Zimmer und starrte ihn mit großen Augen an. Und er nickte, um ihr zu bestätigen, dass er genau das gemeint hatte.

Die roten Bäckchen, mit denen sie in die Küche zurückkehrte, sollte sie man schön selbst der guten Renate erklären...

„Hast du nun noch Ärger von der Polizei zu befürchten?", erkundigte sich Peter, den dieser Schuh wohl weiterhin drückte.

„Nah...", machte Walther und winkte ab. „Erst wollten sie sich ja gar nicht mehr einkriegen, aber wie sich dann herausgestellt hat, dass die Bande selbst reichlich Schießeisen dabei hatte. Und sogar Verbindungen zu irgendwelchen Menschenhändlern und dergleichen...

Notwehr wird's wohl werden und nochmal sollte ich sowas nicht machen. Aber das wars dann auch..."

Das klang so lapidar, obwohl es seinem alten Freund Erich doch ein paar graue Haare bereitet hatte. Eine Luger und eine Maschinenpistole aus dem Krieg waren eben doch was anderes als ein Jagdgewehr. Wären die beiden Polizisten im Streifenwagen, der zuerst am Ort des Geschehens war, nicht solche Jungspunde gewesen, wäre das wahrscheinlich nicht gar so schlimm gewesen. Aber so hatten sich die Hosenscheißer kaum eingekriegt, als sie sich einen Überblick verschafften.

Zum Glück jedoch war man hier nicht in der Großstadt. Der Staatsanwalt war ein vernünftiger Mann, die nun ermittelnden Beamten kannte Walther fast alle von der Bundeswehr und der zuständige Richter wohnte selbst im Nachbardorf und war ein alter Freund.

Da war kein Grund zur Sorge. Außer natürlich für die Mistkerle, die jetzt in Untersuchungshaft saßen.

„Ich fasse immer noch nicht, dass es nicht einmal in den Zeitungen stand", meinte die kesse Nadia. „Normalerweise hätte das die erste Seite der Bild komplett einnehmen müssen. Die stürzen sich doch auf sowas, wie Haie, die Blut gerochen haben."

„Aber nur, wenn sie Wind davon bekommen, dass es sich lohnt", erklärte Walther. „Und wenn die Lokalzeitungen es nur auf Seite zwölf in einem winzigen Artikel erwähnen, ist es wohl nicht aufsehenerregend genug."

Der Ausdruck auf dem Gesicht des Mädchens war nicht gänzlich erleichtert. Wie es schien, machte sie sich ihre ganz eigenen Gedanken darüber, was ein so effektives Netzwerk alter Freunde noch alles anstellen konnte. Und wenn er die Seitenblicke richtig deutete, die sie auf ihre beiden Begleiter warf, drehte sich ihre Sorge in diesem Fall wohl eher um moralische Aspekte.

„Mach dir man keine Gedanken", sagte er daher ganz offen. „Wir mischen uns schon nicht in Privatangelegenheiten. Deswegen konnte es ja überhaupt erst soweit kommen."

So ganz beruhigt sah sie daraufhin allerdings noch nicht aus. Also fügte er hinzu: „Und wenn man mal über die schamlose Unverschämtheit hinwegsieht, ist es ja doch ganz niedlich, was ihr Kinder so anstellt."

Mehr Ermutigung würde es nicht geben. Zu sehr die Zügel schießen lassen durfte man dem Jungvolk nicht. Missbilligende Blicke und anständige Entrüstung waren immerhin das einzige, was die paar brauchbaren Jugendlichen von heute noch davon abhielt, völlig außer Rand und Band zu geraten.

„Wie geht es deinem Bein?", wechselte er das Thema und wandte sich an Peter.

„Es juckt und zieht gelegentlich", antwortete der Junge. „Ich werds überleben."

„Sicher wirst du das. Hast Glück gehabt."

„Wohl eher ein ganzes Rudel Schutzengel", widersprach er. „Und deswegen will ich dir auch noch einmal danken. Ohne dich und Oma..."

„Nun, nun...", meinte Walther ergriffen. „Schon gut, mein Junge."

*****

Kenny stand unter Strom wie selten zuvor. In gewisser Weise war er sogar aufgeregter, als in dieser Nacht vor vier Wochen. Und das lag ganz einfach daran, dass er festgehalten wurde.

Seitdem es ihm erlaubt wurde, hatte er an Tanjas Bett gesessen. Zuerst auf der Intensivstation und nun in ihrem Krankenzimmer, wo sie seit einigen Tagen langsam aus dem künstlichen Tiefschlaf erwachte.

Eigentlich war es nicht erlaubt, dass er wirklich fast die gesamte Zeit im Krankenhaus verbrachte. Weswegen Kenny den Schwestern auch sehr dankbar war, die ihn deckten. Warum auch immer sie das taten und ihn dabei immer so mitfühlend ansahen...

Die ganze Zeit über hatte er versucht, Tanja das Gefühl zu geben, dass sie nicht allein war. Er hatte ihr alles, was geschehen war, wohl hundert Mal erzählt. Und dazu auch noch jedes Erlebnis aufgewärmt, dass er mit ihr teilte. Und alle möglichen Dummheiten, die er im Laufe der Zeit verzapft hatte.

Er redete einfach, ohne wirklich darüber nachzudenken. Und seine dauerhafte Müdigkeit, weil er sich kaum ein paar Stunden Schlaf am Stück gestattete, machte daraus wohl ziemlich sinnloses Geplapper. Aber die Schwestern meinten alle, dass Tanja ruhiger war, wenn er ihre Hand hielt und auf sie einredete. Und das war wohl eine gute Sache.

Vor einigen Stunden nun hatte sie seine Hand gepackt und den Druck erwidert. Nicht fest, aber er hatte es gespürt.

In seiner grenzenlosen Aufregung hatte er sofort das halbe Krankenhaus alarmiert, nur um gesagt zu bekommen, dass es völlig normal sei. Sie wachte eben langsam auf und ihr Körper fing nun wieder an, sich mehr zu bewegen. Es musste noch nicht einmal wirklich etwas bedeuten.

Aber Kenny wusste es besser. Er merkte deutlich, wie der Druck stärker wurde, wenn er seine Hand auch nur einen Millimeter bewegte. Als wolle sie keinesfalls zulassen, dass er fortging.

Und selbst wenn... selbst wenn sie ihn für Peter hielt - was er stark annahm - war das wichtig. Es zeigte, dass sie ins Leben zurückkehrte.

Er dachte nicht daran, sie in diesem Zustand alleinzulassen. Irgendwer sollte Peter und Oma Renate und natürlich Tanjas Vater anrufen, aber dieser ‚Jemand' würde nicht Kenny sein.

Er blieb eisern an ihrer Seite und redete weiterhin einfach drauflos. Und er hielt ihre Hand, damit sie wusste, dass sie erwartet wurde, wenn sie die Augen aufschlug. Selbst wenn es nicht derjenige war, den sie sicherlich an ihrer Seite vorfinden wollte.

Kenny war kein Idiot. Er wusste schon lange, dass Tanja ihren Cousin wahrscheinlich liebte. Und zwar auf eine nicht wirklich verwandtschaftliche Weise. Und seit kurzem war ja auch klar, woher ihre komischen Anwandlungen kamen. Das einst so rätselhafte Puzzle war ziemlich weitgehend gelöst.

Aber das änderte nichts daran, dass Peter sie nicht so liebte, wie sie sich das wünschte. Und dass dafür Kenny schon so lange in sie verknallt war, auch wenn sie das nicht interessierte.

Und dass wiederum war kein Grund, nicht an ihrer Seite zu sitzen und sich um sie zu kümmern. Ob nun aus Freundschaft oder Liebe, spielte da ja nun wirklich keine Rolle.

Er war wirklich eisern. Und fest entschlossen. Aber im Leben eines jeden Menschen kam der Punkt, an dem es nicht mehr weiterging. Der Punkt, an dem man entweder zur Toilette ging oder sich in die Hose machte.

Und bevor das geschah, musste er dann doch notgedrungen seine Hand aus dem längst fühlbar starken Griff lösen und sich erheben. Müde schlurfte er aus dem Zimmer und zur nächsten Toilette. Den Weg fand er praktisch im Schlaf.

Und der Schlaf fand ihn dann, als er auf der Toilettenschüssel saß. Jedenfalls war er eindeutig nicht nur ein paar Sekunden weggenickt, als er wieder aufwachte, sondern lehnte mir schmerzendem Nacken an der Trennwand zu seiner Linken und hatte Schmerzen in so ziemlich jeder Körperregion.

Rasch machte er sich sauber und zog sich wieder an. Auf dem Weg zum Waschbecken, wo er sich auch Gesicht und Nacken wusch, murmelte er leise fluchend vor sich hin. Und dann beeilte er sich, zu Tanja zurückzukehren, die er weiß Gott wie lange allein gelassen hatte.

„Ach", meinte eine der Stationsschwestern auf dem Gang, als sie in sah. „Du bist ja doch hier. Ich dachte mir doch, dass du nicht nach Hause gegangen bist."

„Wieso?", fragte er sofort alarmiert. „Was ist passiert?"

„Ganz ruhig", meinte sie sanft. „Deine Freundin ist nur unruhig geworden. Kein Grund zur Sorge."

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