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Le Mystère d'André

Geschichte Info
Der seltsame André hütet ein außergewöhnliches Geheimnis.
13.4k Wörter
4.63
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Eigentlich hatte ich mich auf die Abschlussfahrt nach Paris gefreut. Jedoch waren wir jetzt schon zwei Tage hier, und einige Pläne waren aufgrund des Dauerregens buchstäblich ins Wasser gefallen. Zu allem Überfluss musste ich mein Zimmer auch noch mit Nina teilen, die an einer schlimmen Form der Verbal-Diarrhö litt und mir ohne Unterlass von ihrem neuen Freund erzählte, den sie seit der Abreise bereits gefühlte tausend Mal angerufen und ihm noch weitaus mehr SMS geschickt hatte, damit sie nicht Gefahr lief, er könne sie in der Zwischenzeit vergessen und sich einer anderen zuwenden. Dass sie jedoch selbst ständig davon redete, sie wolle die Unterwelt von Paris unsicher machen und einmal nachprüfen, was die französischen Männer so zu bieten hätten, schien sie dabei nicht sonderlich zu stören. Nina war auch sonst ein bisschen komisch, sozusagen der Klassenfreak, denn sie hatte teilweise recht eigentümliche Stylings, die oftmals an die frühen Achtzigerjahre erinnerten. Ein bisschen Neon hier, ein wenig Lack dort ... Hauptsache: grell und ausgeflippt!

"Sag mal, warst du eigentlich schon mal in einem Fetisch-Club?" Ich hob verdutzt den Kopf von meinem Buch und fragte irritiert: "Was?" Ich musste mich wohl verhört haben! "Guck doch nicht so grimmig! Ich habe ja nur gefragt. Also ich war schon zweimal in Berlin bei einer Freundin, die sich in dem Bereich gut auskennt. Die hatte vielleicht zwei kleine Kläffer, kann ich dir sagen! Keine halbe Stunde konnte sie die alleine lassen, ohne dass sie nicht die Bude auseinander genommen ... " Und sofort klinkte sich mein Kopf bei dem Heruntergeleiere alter Stories wieder aus. Ich konnte nichts dafür, es war mittlerweile zu einem automatischen Reflex meines Hirns geworden. Ein Rütteln an meiner Schulter brachte mich jedoch unwirsch wieder zurück in die "Nina-Realität". "Hallo?! Ich habe dich etwas gefragt! Aber du kommst ja eh nicht mit! Dabei bräuchte ich aber schon jemanden, der mich begleitet, weil ... ganz alleine in Paris und das nachts in so einer Location ..."

"Stopp den Wasserfall! Sag mir lieber, wovon du überhaupt sprichst!", unterbrach ich sie schroff. "Na, von dem Club!" Wie, wo, was, Club? Welcher Club? "Okay, von was für einem Club redest du? Und bitte versuch es mir in einem Satz zu erklären, ja?" Das war nicht sehr freundlich, allerdings hatte ich schon nach zwei Tagen dermaßen die Nase voll von der Flut an unnützen Informationen, die aus dieser Frau herausbrachen, dass ich glaubte, am Ende eines Anti-Aggressionstrainings zu bedürfen. Nina ließ sich davon aber nicht einschüchtern, sondern zuckte nur die Schultern und verdrehte die Augen genervt gen Zimmerdecke. "Na, der Fetisch-Club!"

"Sag mal, aber sonst geht es dir ..." Ich verstummte abrupt, während vor meinem geistigen Auge eine heilsame Idee Form annahm. "Hm, ja!", sagte ich deshalb knapp und grinste. Ich hätte nicht gedacht, Nina einmal so zu sehen, doch jetzt starrte sie mich mit offenem Mund tonlos an. "Was?", kam nach ein paar Sekunden stotternd aus ihrer Richtung.

"Du hast richtig gehört! Ich gehe mit dir in diesen komischen Schuppen, allerdings unter zwei Bedingungen." Ich wartete eigentlich auf Widerspruch, aber sie schaute mich nach wie vor gespannt an. "Gut, erstens werden wir zwar zusammen dorthin fahren und auch gemeinsam wieder heimkehren, aber sobald wir dort drin sind, will ich meine Ruhe vor dir - und zwar so, dass wir uns nicht mehr kennen, wenn wir durch die Tür gegangen sind, verstanden?" Nina nickte stumm und schluckte. Hätte ich ihr nicht schon vorher unzählige Male zu verstehen gegeben, dass ihr hohes Mitteilungsbedürfnis anderen auf die Nerven ging, so hätte ich beinahe Mitleid mit ihr bekommen. "Und was noch?" Das klang nun gar nicht mehr nach der hohen, aufgekratzten Stimme. "In Ordnung, dann kommen wir zu Punkt zwei. Du wirst eine Tauschpartnerin finden müssen, die mit dir das Zimmer tauscht. Wirklich Nina, nichts gegen dich persönlich, aber ich kann mir das einfach nicht länger antun, tut mir leid."

Wieder ein stummes Nicken. So langsam wurde mir die Stille zwischen uns allerdings selbst unangenehm, und so fügte ich noch ein wenig entschärfend hinzu: "Jetzt komm, zeig mir lieber mal, was ich anziehen soll!"

Ich hatte nicht vor, in dem Club mit irgendjemandem Sex, geschweige denn eine SM-Session zu haben. Stattdessen wollte ich mir einfach eine nette kleine Ecke suchen, dort für ein, zwei Stunden Cocktails schlürfen und den Facettenreichtum menschlicher Sexualität bewundern. Wenn mich dies für den Rest des Aufenthalts von Nina befreien würde, wäre es mir eine reine Freude!

Der Abend rückte heran, und meine Zimmergenossin hatte mir schließlich nach einigen Anläufen ein Outfit zusammengestellt, mit dem auch ich mich auf Frankreichs Straßen trauen konnte. So nahm ich nun die schwarze Stoffhose, schlüpfte in die Hosenbeine und zog sie mir über meinen Slip. Noch während ich mir das dunkelrote Satin-Oberteil mit den weiten Ärmeln über den Oberkörper streifte und meine langen blonden Haare darüber ausbreitete, sprang die Tür auf und Nina kam mit Sabine herein. Beide traten hinter mich, als ich vor dem großen Spiegel am Schrank stand, von wo aus ich deutlich ein wissendes Grinsen in Sabines Gesicht entdeckte. "Wäre dir Sabine recht?", erkundigte sich Nina vorsichtig. Nun doch ein wenig verlegen angesichts dieses radikalen Schnitts nickte ich und versuchte, möglichst beschwichtigend ein "Dank dir, Nina!" rauszubringen.

Wir vereinbarten, dass Nina morgen nach dem Frühstück das Feld räumen und Sabine ihren Platz einnehmen würde. Ich bezweifelte zwar, dass Nina in ihrem Komaschlaf den Wecker zu früher Stunde überhaupt hören würde, doch wenn nicht, würde ich sehr gerne bereit sein, dem nachzuhelfen.

Gegen 19 Uhr ging es auf dem Flur der Unterkunft zu wie in einem Bienenstock. Überall tummelten sich die jungen Leute, um das Nachtleben von Paris zu erkunden. Meine Zimmergenossin war ebenfalls sehr hippelig und konnte kaum noch ruhig stehen. Ständig wippte sie mit dem Fuß oder fuhr sich durch die Haare. Auch löcherte sie mich zusehends mit immer intimeren Fragen. Anfangs wollte sie noch wissen, ob ich denn keine Angst hätte, in einen solchen Club zu gehen, und jetzt rätselte sie schon offen darüber, mit welchem meiner Ex-Freunde ich wohl schon SM-Erfahrungen gesammelt haben könnte. Erstere Frage beantwortete ich mit einem klaren: "Nein!", obwohl mir durchaus ein wenig mulmig zumute war, auch wenn ich mich an exzentrischen Menschen mit sonderbaren Lebensstilen normalerweise nicht störte, solange sie mir nicht das Ohr abkauten. Die letzte Frage ging für meinen Geschmack jedoch zu weit, und so wies ich sie zurecht: "Das geht dich überhaupt nichts an, und wenn du damit fortfährst, mir meine Ex-Freunde aufzuzählen und was ich mit ihnen im Bett vielleicht, vielleicht aber auch nicht gemacht habe, dann werde ich dieses Zimmer heute Abend nicht verlassen!" Das saß, und Nina schenkte mir wieder diesen reuigen Hundeblick. Um einem Anfall von Mitleid zu entgehen, schnappte ich mir noch schnell meinen MP3-Player und beschloss, ihr einfach nicht mehr zuzuhören.

Bis zur Metro war es nicht weit, und da dieser Abend, wie ich fand, Nina gehörte, überließ ich es auch gänzlich, für sie die Pläne zu studieren. Sollte sie doch zusehen, wo es zu ihrem Club ging! Schließlich war ich hier nur Anhängsel. Zum Glück mussten wir aber nicht lange warten, und auch die Zeit in der Bahn konnte ich zu meiner Zufriedenheit mit lauter Musik überbrücken, sodass meine Stimmung gar nicht mal allzu schlecht war, als wir nach dem Aussteigen in eine Seitengasse abbogen und dort vor einem Gebäude mit einem schlecht beleuchteten Aushängeschild stehen blieben. "Club Nuit Formes", las ich darauf und lief, meinen Blick auf die Schrift gerichtet, der Tür entgegen. Doch eine große Männerhand hielt mich urplötzlich zurück. "...carte d'identité?", verstand ich und sah mich nach Nina um, die gerade dabei war, ihren Ausweis einem anderen breitschultrigen Kerl auszuhändigen. Hektisch kramte ich nach meinem Geldbeutel und zog meinen Pass hervor, den ich sogleich Türsteher Nummer eins unter die Nase hielt. "Allemande, hein?" Er schenkte Nummer zwei einen skeptischen Blick. Dieser nickte aber lediglich und winkte uns mit einer desinteressierten Geste durch.

Erst jetzt, da es mir als Vorausgehender zustand, diese Tür zu öffnen, hinter der laut der Bass dröhnte, fragte ich mich, ob es das wirklich wert gewesen war. Das mulmige Gefühl war nun zu Angst herangewachsen, und ich musste mir eingestehen, dass ich mir meiner Sache auf einmal gar nicht mehr so sicher war. Allerdings galt das nicht für Nina! Diese fasste einfach unter meinen Arm hindurch an die Klinke und zog sie auf.

"Denk dran, wenn wir drin sind, kann ich dir auch nicht mehr helfen! Votre souhait est mon commandement!", kicherte sie und schob sich an mir vorbei, während ich gerade zögerlichen Schrittes den mit Samtteppich ausgelegten Flur betrat. Eine stark geschminkte Frau saß an dessen Ende an einer kleinen Geldkassette, neben ihr ein Preisschild auf französisch. Nina ging gackernd auf sie zu, und kurze Zeit später prangte der verschwommene Abdruck eines Stempels auf meinem Handrücken. Während ich noch verdattert über die auffallend männliche Stimme der Frau dastand, sprang Nina auch schon wie ein junges Reh zu dem großen schweren Vorhang, der den Gastraum vom Empfangsbereich abtrennte. "Hey, Nina, warte!", rief ich ihr hinterher, aber da war sie bereits hinter dem wallenden Stoff verschwunden.

Verärgert ging ich ihr hinterher, schob den Vorhang auseinander und hielt sprachlos inne. Ohne Vorwarnung stand ich nun in einem Raum, in dem Menschen in grotesker Kleidung im schummrigen Licht unter Käfigen tanzten, die von der Decke hingen. Einige Männer trugen High Heels und Netz-Strumpfhosen, andere ein Matrix-Outfit aus Lack und Latex, wohingegen die meisten Frauen, welche ich bemerkte, sich in seltsame Kostüme gehüllt hatten. Von einer Krankenschwester in weißem Lack und rosa Haaren bis hin zur streng wirkenden Domina in hautengem Leder und knallroten Lippen war wirklich alles denkbar Bizarre vertreten. Die Wände waren mit Ketten und Peitschen geschmückt, und in einigen Abständen reihten sich Andreaskreuze an ihnen entlang. Ich ließ meinen Blick schweifen und machte eine Bar aus, an deren Ende sich ein kleines, offenes Separee befand. "Nichts wie hin!", entschied ich und bahnte mir meinen Weg durch das Gedränge leicht bekleideter Körper.

Die kleine Ecke schien wie für mich geschaffen! Von hier aus hatte ich einen guten Überblick über die Gäste an der Bar und auf der Tanzfläche, ohne jedoch selbst auf einem Präsentierteller dargeboten zu werden. Zudem konnte ich hier alleine sein, denn von Nina war weit und breit keine Spur.

Es dauerte ein paar Minuten, bis ich mich an die vielen neuen Eindrücke gewöhnt und begriffen hatte, dass die Leute, welche neben einer anderen Person auf dem Boden saßen, dies nicht etwa aus Platzmangel taten. So verfolgte ich gedankenversunken die Menschen, musterte ihre extravaganten Erscheinungsformen und bestellte mir in schlechtem Französisch einen Cocktail.

Ein androgyn wirkender Mann in einem hoch geschlossenen, schwarzen Rollkragenpulli und einer engen Lederhose fesselte schließlich meinen Blick, sodass ich ihm eine Weile verstohlen nachschaute. Nicht sein Outfit war der Grund dafür, sondern eine seltsame Aura, die ihn deutlich spürbar umgab. Alleine seine Gesichtszüge wirkten so weich und zugleich maskulin, dass man beim Blick in die großen, geheimnisvollen Augen darin zu versinken glaubte. Ein verheißungsvolles Leuchten von unergründlicher Tiefe schien in ihnen zu liegen, und mir fiel es schwer, meine Augen wieder den eleganten Bewegungen seines Körpers folgen zu lassen, als er sich zu seinem Gesprächspartner umdrehte. Die dunkelblonden Haare des Fremden, die zu einem etwas mehr als schulterlangen Zopf gebunden waren, passten perfekt zu seinen schmalen Hüften, wie ich fand. Ein wenig enttäuscht verfolgte ich, wie er nun aufstand, was mich inständig hoffen ließ, dass ihn sein Weg nur kurz zur Toilette führen mochte.

Irgendetwas stimmte mit ihm nicht, überlegte ich. Diese Eleganz, die Androgynität in seinem Auftreten, das unterschwellige Funkeln in seinen ausdrucksstarken Augen ... Worauf sich mein Gefühl allerdings explizit bezog, vermochte ich nicht genau zu bestimmen. Ich zuckte vor Schreck zusammen, als ich unversehens eine Berührung auf meiner Schulter spürte und eine nicht zuzuordnende Stimme fragte: "Tout seul ici?"

Mein Oberkörper wirbelte herum und sah ohne Vorwarnung in das Gesicht des Fremden, den ich eben noch aus sicherer Entfernung bewundert hatte. Überrascht, wie ich war, konnte ich keinen einzigen sinnvollen Satz auf Französisch mehr zusammenbasteln und antwortete deshalb in Englisch: "No, I came with a friend!" Der Fremde zog skeptisch eine Augenbraue nach oben und meinte: "No Frenchman, eh?" Ich konnte mir nicht helfen, unter seinem Blick verschlug es mir einfach die Sprache, sodass ich ein bisschen zu lange zögerte, ehe ich antworten konnte: "No, I'm German." Nun wurde aus dem zweifelnden Ausdruck ein freudiges Lächeln. "Du bist deutsch? Warum hast du das nicht gleich gesagt!", kam es fast akzentfrei von ihm. Verwundert darüber starrte ich ihn an und er erläuterte zwinkernd: "Ich habe ein paar Jahre im Ruhrgebiet gelebt und kenne mich in ein paar Bereichen Deutschlands auch heute noch bestens aus."

"Und wo ist dein Freund jetzt?", erkundigte er sich, ohne seine Hand von meiner Schulter zu nehmen. Es war eine zarte, zaghafte Berührung, die mich dennoch völlig aus dem Konzept brachte.

"Ähm, meine Klassenkameradin müsste sich irgendwo unter den Tanzenden tummeln, nehme ich an ..." Suchend schaute ich zur Tanzfläche und konnte sie tatsächlich ausmachen. Ich winkte ein bisschen zu heftig in ihre Richtung und erntete von ihr dafür glatt den Stinkefinger. Der Fremde schüttelte vergnügt den Kopf und meinte: "Das sind ja tolle Freunde, die du da hast!"

Ohne meinen Blick von seinen fesselnden Augen abzuwenden, nahm ich einen Schluck von meinem Cocktail und berichtigte: "Nein, wir sind nicht befreundet ... nicht wirklich. Wir sind hier bloß auf Abschlussfahrt, weißt du?" Nervös suchte ich nach einem Punkt, welchen ich anstelle seiner Augen fixieren konnte, und fand ihn in Form eines kleinen Edelsteinanhängers, der ihm an einem dünnen Goldkettchen um den Hals baumelte und mich auf verblüffende Weise an das faszinierende Jadegrün seiner Iris erinnerte.

"Ah, und ich dachte schon, du wärst alleine hier, als du vorhin so erstaunt vor der Tanzfläche stehen geblieben bist." Ich spürte, wie ich rot wurde. Und ich dachte, ich hätte ihn zuerst gesehen! Als könne er Gedanken lesen, senkte er seine Lippen neben mein Ohr und fügte fast schon flüsternd hinzu: "Um erfolgreich zu sein, muss der Jäger seine Beute entdecken, bevor sie ihn entdeckt ..." Ich glaubte, in der mich umgebenden Hitze zu versengen, so stark war die erotisierende Wirkung seiner Stimme! Dennoch war auch sie auf eigenartige Weise geschlechtslos. Man hätte sie problemlos einem Mann genauso wie einer Frau zuschreiben können.

"Was hat dich denn so erstaunt?", versuchte er mir dabei zu helfen, wieder klar zu werden.

"Na ja, eigentlich alles: die Menschen, die Einrichtung, die Outfits ... Ich kenne selbst von Transfrauen eine derartige Freizügigkeit eigentlich nur vom CSD."

Er lachte auf und berichtigte: "Das meiste davon sind doch gar keine Transfrauen, sondern einfach nur Männer im Fummel, die der Überzeugung sind, dass ein weibliches Äußeres zusammen mit einem Schwanz zwischen den Beinen die perfekte Mischung ausmacht!" Eine Pause entstand, die er nutzte, um sich nach einem fragenden Nicken auf den Platz mir gegenüber zu setzen. Ich begann merklich zu schwitzen. Wo sollte das nur hinführen?

Kaum hatte er sich niedergelassen, schien es, als wolle sein verschwörerischer Ausdruck mir irgendetwas mitteilen, das sein Mund jedoch nicht formulieren konnte. Sein Blick sprach Bände, doch seine Lippen sagten nur: "Ich denke nicht so." Ich musste mir eingestehen, dass ich keine Ahnung hatte, wovon er sprach, und probierte es deshalb mit einer Frage. "Und was denkst du?" Sein durchdringender Blick wurde augenblicklich intensiver und schien mich regelrecht durchbohren zu wollen.

"Was meinst du denn, was ich denke?" Unfähig, eine adäquate Antwort zu finden, versank ich in meinem Sitz und fummelte mir fahrig eine blonde Strähne aus dem Gesicht.

"Du hast mit dieser Szene hier eigentlich nichts am Hut, nicht wahr?" Sein Lächeln war so liebevoll, die Art, wie er mich ansah, jedoch von solch bohrender Intensität, dass es mich schauderte. Betroffen schüttelte ich den Kopf und nahm einen weiteren Schluck. "Gestattest du mir, dir etwas zu zeigen?", bot er mit einem anzüglichen Unterton an, und in mir taten sich Bilder von blutigen Striemen und dunkelblauen Flecken auf.

"Du, weißt du .... Ich finde dich sehr nett, aber mit Schmerzen ist das, glaube ich, nicht so mein Ding ...", druckste ich herum, ohne dass sich der hinreißende Ausdruck seiner jadegrünen Katzenaugen mit den langen Wimpern von mir löste. "Außerdem mag ich eigentlich keine dominanten Männer, denn mit Machos ..." Wie von der Tarantel gestochen lehnte er sich über den Tisch und legte mir seinen Zeigefinger auf den Mund.

"Non, non, non! Das meinte ich nicht!" Ich musste offenbar sehr verwirrt ob seiner übertriebenen Geste gewirkt haben, denn jetzt wanderte sein Blick von meinen Augen zu meinem Mund und wieder zurück ,als wäre er selbst völlig überrascht von seinem Handeln, ehe er seine Hand leicht befangen wieder auf dem Tisch ablegte. "Ich bin keiner dieser Machos!", widersprach er vehement und schob seine Finger auf meinen Unterarm. "Alles, worum ich dich fragen möchte, ist, dich verwöhnen zu dürfen." Nun verstand ich gar nichts mehr. Bot er sich mir etwa als Sklave an? Ihn mir in dieser Rolle vorzustellen, fand ich, ehrlich gesagt, noch weitaus unerotischer.

"Nicht, was du denkst, mein Liebes ... Dominanz muss nicht immer nehmend sein. Sie kann auch geben! Und ich glaube, dir sehr viel geben zu können, wenn du mich lässt." Ich zögerte und starrte unentschlossen in mein Glas.

"Ich denke trotzdem nicht, dass mir Schmerz gefallen könnte ...", murmelte ich, und er wandte sofort ein: "Muss es auch nicht! Ich tue nichts, was du nicht willst. Wir können ganz und gar auf S/M verzichten, wenn du möchtest." Zweifelnd blickte ich auf und stellte überrascht fest, dass der bohrende Blick einer gemütvollen Ausstrahlung gewichen war, die sehr vertrauenswürdig auf mich wirkte. "Wirklich?", fragte ich mit hochgezogener Augenbraue, und seine Hand wanderte an meinem Arm entlang zu der meinen, um sie zu drücken.

"Wirklich!"

Aufgeregt leckte ich mir über die Lippen. "Ja, aber wo? Hier etwa?", erkundigte ich mich und erntete eine abfällige Handbewegung.

"Nicht doch!" Er deutete auf eine Doppelschwingtür am anderen Ende der Tanzfläche und ergänzte: "Dort ist die Spielabteilung! Keine Angst, es ist alles durch Vorhänge abgetrennt, außerdem werde ich schon dafür sorgen, dass wir ungestört sind."

Ehe ich mich versah, fand ich mich keine fünf Minuten später im Getümmel wieder. Der Fremde ging voraus und führte mich an der Hand zielstrebig durch die Menge. Um meiner zunehmenden Anspannung Luft zu machen, versuchte ich mich ein wenig von dem Gedanken abzulenken, auf welchem Weg wir uns befanden, und wollte neugierig wissen: "Wie heißt du überhaupt?" Ohne nach hinten zu schauen, schlangen sich seine filigranen Finger enger um meine Hand, während sich die Menschenansammlung verdichtete und ich lediglich ein knappes: "André!", verstand. Ich fand es war ein schöner Name, der hervorragend zu ihm passte, jedoch fehlte mir einerseits der Mut, ihm das so direkt zu sagen, andererseits war es wohl gerade der unpassendste Moment, den man sich nur vorstellen konnte.

"Und wie alt bist du?", rief ich erneut durch die Menge. Ich glaubte, ein amüsiertes Lachen zu vernehmen und er erwiderte: "Mindestens zehn Jahre älter, als du mich schätzt! Und jetzt komm!" Was sollte diese Antwort? Es schien mir mehr als unglaubwürdig, dass er älter als Ende zwanzig sein könnte! Er ließ mich vor einem Rätsel stehen, dessen Natur ich nicht einmal im Ansatz verstand. Hatte es womöglich etwas mit seiner Androgynität zu tun?

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