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Mitternacht

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Eine Nacht, die ein ganzes Leben verändern kann...
4.3k Wörter
3.98
31.5k
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Gelangweilt schweift mein Blick umher. Laute Musik umgibt mich, während ich zusehe, wie sich viel zu viele Leute an viel zu kleine Tische quetschen. Das Bild von Sardinen in einer Dose drängt sich mir auf.

Dazu diese merkwürdige Atmosphäre, die durch den schlechten Geschmack des Innenarchitekten entsteht und sich gar nicht richtig benennen lässt. Ich meine, wer streicht schon Wände in diesem Grün, das einen an Krankenhauskleidung erinnert?

Bunt zusammengewürfelte Sitzgruppen, die nicht zueinander passen. Abstrakte Bilder, die aussehen, als hätte ein Kind seinen Teddy erst in einen Farbeimer und dann auf die Leinwand fallen lassen. Klinisch steril und kitschig zugleich.

Albernes Gekicher neben mir lässt mich hochschrecken. Warum nur habe ich mich überreden lassen, heute Abend mit in diese Bar zu kommen?

Sehnsüchtig denke ich an mein Buch, das zu Hause in meinem Sessel auf mich wartet. Was wird der Entführer wohl mit der jungen Frau machen? Aber anstatt das herauszufinden, sitze ich nun mit ein paar Freundinnen hier und lasse den Abend über mich ergehen. Höre mit halbem Ohr zu, wie die Mädels über die Vor- und Nachteile von Nagellackentferner mit Fruchtgeruch diskutieren. Sehe, wie sich die besoffenen Typen am Tresen an die inzwischen schon merklich genervte Bedienung heranmachen. Atme schlechte Luft, blau vom Rauch. Und versinke wieder in meinen Gedanken. Stelle mir vor, wie…

Ein Kribbeln in meinem Nacken bringt mich dazu, den Kopf zu heben. Ich sehe auf und sehe in Augen, die sich in die meinen zu bohren scheinen. Ein Blick, der mich fesselt: aufmerksam, berechnend, intelligent, überlegend. Durchdringend.

Ich kann nicht anders, als meinen Blick zu senken. Betrachte meinen Drink, von dem nur noch ein paar Eiswürfel übrig geblieben sind. Ohne es zu bemerken, greife ich wieder einmal zum Strohhalm und stochere zwischen den Eiswürfeln und Limettenresten herum. Als ich wieder aufschaue, hat er sich längst abgewandt.

Ich betrachte diesen Unbekannten genauer. Er sitzt ein paar Tische entfernt und scheint in ein Gespräch mit seinen Begleitern vertieft zu sein. Mittelgroß, kurze, dunkle Haare, dezente Kleidung. Nein, vom reinen Aussehen her ist er kein Mann, der einem sofort auffallen würde. Und dennoch strahlt er irgendetwas Einnehmendes aus. Vielleicht ist es seine aufrechte Haltung, die fast schon ein wenig arrogant wirkt. Sein leichtes Lächeln, wissend und überheblich. Seine Hand, mit der er lässig durch sein Haar fährt. Zu lässig. Er scheint auf seine Begleiter einzureden, die allesamt zustimmend mit dem Kopf nicken.

Plötzlich wird mir dieser Abend eindeutig zu doof. Ich sitze hier, tue so, als würde mich das Gespräch meiner Freundinnen interessieren, das sich inzwischen um das Liebesleben irgendeines Promis dreht, während ich allen Ernstes einen Typen analysieren will, der mir einen kurzen Blick zugeworfen hat.

Kurzentschlossen wende ich mich meinen Freundinnen zu, murmle etwas von Kopfschmerzen und davon, dass ich morgen früh aufstehen müsste. „Süße, komm gut nach Hause“, schallt es noch hinter mir her, als ich schon meine Tasche und meinen Mantel greife und aufstehe.

Ich wende mich ab und gehe zum Tresen, während die anderen schon wieder kichernd in ihr Gespräch vertieft sind.

Ungeduldig klopfe ich mit meinem Portemonnaie auf den Tisch, weil der gestresste Barmann, der mir die Rechnung bringen wollte, mich offensichtlich schon längst wieder vergessen hat. Oh, halt, zu früh geurteilt. Er kommt zu mir und ich bezahle schnell.

Endlich kann ich wieder nach Hause. Ich freu mich schon auf mein Buch. Der maskierte Entführer hatte sein Opfer gefesselt und betrachtete sie lüstern. Es schien ganz so, als ob…

Eine Hand legt sich auf meinen Arsch, Finger krallen sich in mein Fleisch. Empört drehe ich mich um. Die Besoffenen von vorhin haben es anscheinend aufgegeben, sich an die Bedienung ranmachen zu wollen, und haben ihre Aufmerksamkeit auf die weiblichen Gäste gelenkt.

Einer von denen scheint etwas zu mutig geworden zu sein. Ruckartig drehe ich mich weg, sodass seine Hand mich nicht mehr erreichen kann. Zornig sehe ich ihn an und frage ihn, was er sich einbildet. Der jedoch grinst nur und meint: „Komm schon, Prinzessin, Du willst es doch auch.“ Dabei steht er auf, greift meine Hand und zieht mich zu sich heran. Sein Mund nährt sich meinen Lippen, sein Atem stinkt widerlich nach Schnaps und Zigaretten.

Ich versuche, mich zu entziehen, doch gegen einen Betrunkenen, der mich um einen Kopf überragt und auch etliche Kilos schwerer ist, habe ich keine Chance. Verdammt, dieser Laden ist brechend voll, und niemand merkt, dass ich gerade mal ein wenig Hilfe gebrauchen könnte…?

„Ich glaube, die Dame hat nein gesagt.“ ertönt eine Stimme neben mir. „Ach komm schon, nimm Dir doch selbst eine, sind doch genug für alle da.“ lallt der Typ, lässt mich aber los, sodass ich endlich zurücktreten kann. Ich wende mich meinem Fürsprecher zu.

Ein durchdringender Blick. Aufmerksam, berechnend, intelligent, überlegend. ER steht vor mir. Ich bedanke mich. Ich weiß nicht wirklich, was ich sagen soll und komme mir blöd vor.

Statt einer Antwort nimmt er mir wortlos meinen Mantel ab, und ich lasse zu, dass er ihn mir hinhält. Ich strecke meine Hände durch die Ärmel, sage noch einmal „Danke“ und gehe zur Tür. Er folgt mir.

Na toll, das ist ja wohl das totale Klischee, denke ich mir: interessanter Fremder spielt in genau dem richtigen Augenblick den großen Retter in der Not, gibt dann den Gentleman und bleibt anschließend aus irgendeinem Grund in ihrer Gesellschaft. Aber dennoch schlägt mein Herz ein wenig schneller, als ich vor die Tür trete.

Kälte umfängt mich. Ich beeile mich, meinen Mantel zu schließen und verfluche meine Idee, den Schal zu Hause liegen zu lassen. Ein eisiger Wind umweht mich und ich muss mich zusammenreißen, damit ich nicht anfange, zu zittern. Ich hoffe, dass ich schnell zu Hause bin, im Warmen.

Aber da ist noch immer der Unbekannte, der hinter mir stehen geblieben ist. Innerlich seufzend drehe ich mich um.

Und trete erschrocken einen Schritt zurück. Er stand so nah hinter mir, dass sich unsere Körper kurz berührten, als ich mich umgedreht habe. Noch immer betrachtet er mich schweigend, und ich lasse mich für einen Moment von seiner Präsenz fesseln.

Ich kann in der Dunkelheit nicht erkennen, welche Farbe seine Augen haben, doch ich habe das Gefühl, von ihnen durchleuchtet zu werden. Ich fühle mich nackt vor ihm, als könnte er mich und mein Innerstes einfach so durchschauen. Sein Blick ist ernst, kein Lächeln umspielt seine Lippen. Seine Hände stecken in den Taschen des Mantels. Aufrecht steht er vor mir, seine Haltung lässt ihn größer erscheinen, als er ist.

Er macht keinerlei Anstalten, irgendetwas zu sagen. Natürlich nicht, das würde ja nicht mehr dem Klischee entsprechen, denke ich ein wenig ironisch. Ich muss an die lächerlichen Liebesromane denken, die meine Mutter immer liest. Die fangen auch alle so an.

Na gut, dann eben ich. Ein wenig resigniert suche ich kurz nach den richtigen Worten. „Und jetzt?“, frage ich schließlich dümmlich, weil mir nichts Besseres einfällt.

„In welche Richtung musst Du?“, fragt er. Aha, Mister Geheimnisvoll lässt sich doch dazu herab, etwas zu sagen. Stumm deute ich auf den Weg, den ich einschlagen muss. „Ich habe den gleichen Weg.“, sagt er. „Hast Du etwas dagegen, wenn ich Dich ein Stück begleite?“

Ich schüttle den Kopf. Nein, ich habe nichts dagegen. Im Grunde genommen bin ich sogar ganz dankbar, dass ich nicht alleine durch den dunklen Park zurück laufen muss. Außerdem muss ich mir eingestehen, dass mich der Fremde interessiert und ich mich freue, dass er mich begleiten will.

Schweigend laufen wir los. „Mit wem warst Du heute hier?“, fragt er mich im Plauderton. Ich berichte ihm in wenigen Worten von meinen Freundinnen. „Und wie kommt es, dass Du so zeitig gehst?“, will er weiter wissen.

Kurz schaue ich ihn von der Seite an, sein Blick ist auf den Weg vor uns gerichtet. Er hat seine längeren Schritte meinen kürzeren angepasst, entspannt schlendert er neben mir her. Wie kriegt der nur diese verdammte Lässigkeit hin?

Ich lasse mich dazu hinreißen, ein wenig mehr zu erzählen. Davon, dass meine Freundinnen zwar total lieb sind, ich aber mit diesen Mädelsabenden voller Nonsens einfach nichts anfangen kann. Dass ich die Ruhe vorziehe oder einen Ort, an dem man sich wenigstens unterhalten kann, ohne am nächsten Morgen heiser zu sein.

Und von meinem Buch, das zu Hause auf mich wartet und mich fesselt.

Das lässt ihn aufhorchen. Er fragt mich nach dem Buch. Ich denke an die junge Frau, für die der Entführer Lösegeld erpressen möchte. Sie ist an ein Bettgestell gefesselt, unfähig, Arme und Beine auch nur ein Stück zu bewegen. Ihre Augen sind verbunden, all ihre Sinne aufs Äußerste gespannt. Sie ahnt, dass er in der Nähe ist, aber er verhält sich vollkommen ruhig. Betrachtet sie gierig, während seine Hose eng wird. Was wird er mit ihr tun?

Zu spät merke ich, dass ich laut gedacht habe, und werde rot. Zum Glück kann er das in der Dunkelheit unmöglich sehen, aber mir ist nun definitiv nicht mehr kalt. Mein Gegenüber grinst unverschämt und murmelt etwas von „So etwas liest Du also…“.

Na, das wird ja immer besser. Peinlich…schließlich kenne ich ihn überhaupt nicht. Was er jetzt wohl von mir denkt? Schluss jetzt! Innerlich gebe ich mir einen Ruck und nehme auch äußerlich eine sehr aufrechte Haltung ein. Seit wann interessiert es mich schon, was fremde Leute von mir denken? Außerdem werde ich, sobald ich zu Hause angekommen bin, sowieso nie wieder etwas von ihm hören. Und diese paar Minuten werde ich schon überstehen.

„Interessieren Dich solche Dinge?“ Kurz bin ich irritiert, dann fällt mir wieder ein, wovon er redet. Vom Buch, natürlich. Aber die Frage klang ernst und nüchtern, als würde es ihn wirklich interessieren.

Misstrauisch werfe ich ihm einen Blick zu. Wieder diese Augen, die tief in meine Seele zu schauen scheinen. Ich kann nicht viel erkennen, aber sie scheinen dunkler geworden zu sein. Sein Gesichtsausdruck ist ernst, sein Kopf leicht geneigt. So wirkt sein Blick fast schon lauernd.

„Ich verstehe nicht genau, was Du meinst.“, versuche ich, Zeit zu gewinnen. „Machtlos zu sein.“, präzisiert er. Immer noch dieser lauernde Ausdruck.

Was soll ich darauf antworten? Manchmal, wenn ich meine Gedanken einfach schweifen lasse, stelle ich mir tatsächlich vor, wie es wäre, genau dies zu sein: machtlos. Eine Frau vor einem Mann, seinem Willen ausgeliefert und doch mit Freuden ergeben.

Doch dann holt mich die Realität schnell wieder ein. Ich stehe mitten im Leben, habe einen verantwortungsvollen Job. Ich bin es gewohnt, Entscheidungen zu treffen und meine eigenen Wege zu gehen. Da ist kein Platz für Unterwürfigkeit. Außerdem gehört es sich einfach nicht.

Doch dann bekomme ich ausgerechnet dieses vermaledeite Buch geschenkt. Dieses Buch, das mich fesselt und das meine Gedanken anregt, bis ich beschämt feststellen muss, dass ich vom Lesen feucht geworden bin.

„Manchmal“, sage ich leise. „Aber es sind nur Gedanken.“, beeile ich mich, hinzuzufügen. Warum erzähle ich ihm das?

„Am Anfang und am Ende von Allem ist immer der Gedanke.“, sinniert mein immer noch unbekannter Begleiter. „Manchmal ist er sogar beides. Ein einziges gedachtes Wort kann zugleich das Ende von etwas und einen neuen, unvorstellbaren Anfang bedeuten. Ist dieser Gedanke also ein Anfang?“

„Ich weiß es nicht.“, murmle ich. Ich bin verwirrt und befinde mich in einer merkwürdigen Stimmung. Alles hat so normal angefangen, ein völlig harmloser Abend mit meinen Freundinnen. Nun kommt es mir vor, als sei das vor einer Ewigkeit gewesen. Ich laufe mit einem Fremden durch einen dunklen Park, außer uns ist kein Mensch mehr unterwegs.

Ein wenig Helligkeit spendet nur der Schnee, der hoch an den Seiten des Weges liegt. Die Bäume sind weiß und ragen hoch über uns auf. Selbst der Wind hat nachgelassen. Es ist still, absolut ruhig, als wäre die gesamte Welt in einen Winterschlaf versunken.

Nur ich bin noch da und der Unbekannte, der mir Fragen stellt, über die ich nie nachdenken wollte. Alles fühlt sich so unrealistisch an, als würde ich die Welt um mich herum durch einen Nebelschleier hindurch wahrnehmen.

Plötzlich passieren mehrere Dinge gleichzeitig. Zuerst fällt mir auf, wie ruhig es ist. Zu ruhig. Erst jetzt bemerke ich, dass wir stehen geblieben sind. In diesem Moment überkommt mich ein warnendes Gefühl, das mir ganz klar sagt: ich sollte nicht hier sein.

Doch noch bevor ich darüber nachdenken kann, was ich tun soll, wendet sich der Unbekannte zu mir um. Er packt ohne Vorwarnung meine Arme, drängt mich zurück. Ich stolpere, will aufschreien. Eine Hand legt sich über meinen Mund und ein kühler Lederhandschuh erstickt jeden Laut. Mit dem Rücken stoße ich gegen etwas Hartes, ein großer Baum.

Er hebt meine beiden Arme über meinen Kopf, hält sie dort fest. Seine Hand fixiert meine beiden Handgelenke am Stamm, als wäre es nichts; als würde ich mich überhaupt nicht wehren. Seine andere Hand liegt immer noch über meinem Mund.

An den Baum gepresst starre ich ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Mein Herz pocht schmerzhaft gegen meine Brust, ich habe Angst. Was wird er mit mir tun? Warum ist niemand da und hilft mir? Nein, wir sind völlig allein. Nur ich und dieser…dieser…Typ, der mit einem nun widerlich arroganten Gesichtsausdruck vor mir steht und mich schweigend betrachtet.

Ich weiß nicht, was ich fühlen soll. Angst? Wut? „Ich werde Dir nichts tun.“, sagt er. „Jedenfalls nichts, was Du nicht auch willst.“, fügt er süffisant hinzu. „Obwohl, wenn man es genau nimmt…“ Er führt den Satz nicht zu Ende, nimmt jedoch die Hand von meinem Mund.

Ich überlege krampfhaft, was ich tun soll. Ich könnte schreien und hoffen, dass mich irgendjemand hört. Viel verlockender erscheint mir jedoch der Gedanke, ihm einfach mein Knie in seine Weichteile zu rammen.

Noch während ich mit dem Gedanken spiele, redet er weiter:

„Hör mir zu: ich kenne Frauen wie Dich. Und was noch wichtiger ist, ich erkenne sie auch. Ihr verschließt eure Sehnsüchte aus irgendwelchen fadenscheinigen Gründen. Ihr habt Angst vor der Wahrheit. Lieber bleibt ihr in eurer eigenen kleinen Welt, ohne jemals wirklich gelebt zu haben, als euch mit euch selbst befassen zu müssen. Doch ich bin nicht bequem, ich bin…“

Seine Finger streichen mir sanft eine Strähne aus dem Gesicht, bevor seine Hand nach unten wandert. Sie streicht leicht über meine Wange und an meinem Schlüsselbein entlang, bevor sie sich schwer auf meinen Hals legt.

„Ich kann Dir eine Welt zeigen, von der Du bisher nicht zu träumen wagtest. Ich kann Dich einführen in eine Welt der Lust und der Passion. Du wirst Dinge empfinden, von denen Du bisher nicht einmal wusstest, dass es sie überhaupt gibt. Süße Qual und Lust, die sich vermischen, bis Du nicht mehr unterscheiden kannst, was was ist. Leidenschaft und Hingabe, aber auch Demut. Doch danach wird für Dich nichts mehr so sein, wie es einmal war.“

Mein Atem geht schnell und unregelmäßig. Gebannt lausche ich seinen Worten. Ich kann keinen klaren Gedanken fassen, doch überdeutlich spüre ich seine Hand an meinem entblößten Hals.

Ohne Vorwarnung drückt er mich noch stärker gegen den Baum, die Rinde kratzt schmerzhaft über meine Handrücken. Mit seinem Körper drückt er mich gegen den Baum, lässt mir keinen Ausweg. Seine Hand legt sich um meinen Hals, seine Finger schließen sich fest. Ich bekomme genügend Luft, doch die Geste ist unmissverständlich: ich bin ihm ausgeliefert. Sein Blick fesselt mich. Ich bin nicht in der Lage, meine Augen abzuwenden.

„Wenn Du wissen willst, wie es ist, dann komme morgen um Mitternacht hierher. Bedenke Deine Entscheidung gut, denn wenn Du einmal hier bist, wird es für Dich kein Zurück mehr geben.“

Ein letzter Druck an meinem Hals, danach lässt er mich los und tritt einen Schritt zurück. „Mitternacht.“, sagt er noch einmal. Dann dreht er sich um und geht. Ohne ein weiteres Wort, ohne einen Blick zurück.

Noch immer stehe ich an den Baum gedrückt, vollkommen allein. Verwirrt, schwer amtend und erregt. Unfähig, zu begreifen, was gerade geschehen ist.

*

Mein Herz pocht schmerzhaft gegen meine Brust, als ich die Augen aufschlage. Dunkelheit umgibt mich. Nur durch das Fenster fällt ein wenig Licht, angestrahlt durch die Straßenlaterne wirft der Baum unheimliche Schatten an die Wand.

Ein Traum, es war nur ein Traum…und doch so real. Als wäre er wirklich hier gewesen; als wäre er gestern Abend nicht gegangen und hätte mich alleine in der Nacht zurückgelassen. Sogar seine Hände fühle ich noch auf mir. An meinem Hals, auf meinen Brüsten, auf meinen Schenkeln.

Mein Herz rast und ich bin bedeckt von einem dünnen Schweißfilm. Alles tut mir weh. Es fühlt sich an, als wäre der Schmerz, den er mir im Traum zugefügt hat, real. Mein Körper steht in Flammen.

Mein Blick fällt auf den Wecker, 2:58 Uhr. Ich stehe auf und trete ans Fenster. Draußen ist alles ruhig, die Äste des Baumes sind das einzige, was sich bewegt. Und doch fühle ich mich beobachtet. Ein Schauer läuft meinen Rücken herunter. Schnell wende ich mich vom Fenster ab. Ich werde noch völlig paranoid, denke ich.

Das helle Licht im Badezimmer blendet mich. Mit geschlossenen Augen stolpere ich zum Waschbecken. Ich drehe das kalte Wasser auf, halte meinen Kopf unter den Strahl und lasse das kühle Nass über meinen Nacken laufen. Meine Haare werden nass, aber das kümmert mich nicht. Das kalte Wasser hilft mir, meine Gedanken zu sortieren, und langsam komme ich wieder in der Realität an. Ich habe nur geträumt.

Das Buch und die aufwühlende Begegnung mit dem Fremden sind verschmolzen. In meinem Traum war es nicht mehr der Entführer, der die junge Frau ans Bett fesselte. Nein, ER überwältigte mich, drückte mich nach vorne, bis ich seiner Kraft nicht mehr wiederstehen konnte und bäuchlings aufs Bett fiel. Arme und Beine fixiert lag ich da, nackt, ein dickes Kissen unter mir, das mein Becken nach oben hob.

Ich konnte mich nicht bewegen, konnte nicht sehen, was um mich herum passierte. Und plötzlich war da ein scharfer Schmerz an der empfindlichen Stelle zwischen meinem Hals und meiner Schulter, als sich Zähne in meine weiche Haut bohrten. Unerwartet, heiß, stechend. Erschrocken schrie ich auf. Das war der Moment, in dem ich aufgewacht bin.

Noch immer läuft das kalte Wasser über meinen Hals. Mein Puls und meine Atmung haben sich beruhigt. Was für ein alberner Traum, sage ich mir. Er hatte überhaupt keine Bedeutung, nur ein Hirngespinst. Ich drehe das Wasser ab, richte mich auf.

Nass und kalt laufen die Tropfen von meinen Haaren meinen bloßen Rücken herunter, lassen mich frösteln. Ich greife zum Handtuch. Die Tropfen bewegen sich unaufhörlich weiter nach unten, über meinen Arsch und an meinen Beinen entlang. Ich trockne mich ab, aber etwas stimmt nicht. Ich bin ZU nass. Was zwischen meinen Beinen ist, ist mehr als nur Wasser.

Beschämt lasse ich meine Hand zwischen meine Beine gleiten. Tatsächlich, ich bin nass, erregt von meinem Traum. Das darf nicht sein, das ist nicht normal. Nichts an diesem Traum war erotisch, er war demütigend und schmerzhaft. So sehr, dass ich noch immer glaube, sein Zeichen an meinem Hals zu spüren.

Ich verbiete mir jeden weiteren Gedanken an die Bilder, die mir mein Hirn im Schlaf vorgegaukelt hat. Es wird Zeit, ins Bett zurückzukehren.

Im Vorbeigehen fällt mein Blick auf den großen Spiegel. Und ich erstarre. Aus den Augenwinkeln habe ich etwas gesehen, das nicht sein kann. Nein, nein, nein. Ich schließe die Augen, atme tief durch, und öffne sie wieder. Mein Spiegelbild blickt mich mit aufgerissenen Augen an. Verunsichert, verängstigt. Meine Wangen sind gerötet, meine Lippen voll und rot, wie nach einem intensiven Kuss.

Langsam wandert mein Blick an mir herunter. Mein Körper ist noch feucht vom Schweiß, glänzt leicht. Ich drehe mich leicht, und da ist es, neben meinem Hals. Durch den Spiegel schreit es mich beinahe an: das Mal eines Bisses, hellrot, leicht erhaben.

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