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Totem 03

Geschichte Info
4. Kapitel , "Der Clan" , Abschnitt 4.1
16.2k Wörter
4.58
14.5k
0

Teil 3 der 4 teiligen Serie

Aktualisiert 06/07/2023
Erstellt 05/07/2014
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Anmerkung:

Ich habe das 4. Kapitel aufgeteilt, da es sehr umfänglich ist. Dies ist Abschnitt 4.1. Es werden in Kürze weitere Abschnitte folgen, die ca. den gleichen Textumfang haben.

Herzlichen Dank für eure Kommentare und Mails.

Liebe Grüße.

Eure Laila.

~ 4 ~

- Der Clan -

Abschnitt 4.1:

Freitag, 09. September, 2005, gegen 14:00 Uhr:

-- War eine schöne Zeit, sinniere ich. Der erste Schultag. Du warst so aufgeregt und konntest es kaum abwarten, deinen Wissensdurst zu stillen. Die Grundschule hat sich kaum verändert. Einen neuen Anstrich hat sie bekommen. Keine Zeit für Schwermut, Laila, obwohl es dir, wie jedes Mal, nahe geht.

Ich seufze, wende meinen Blick ab, biege in die Seitenstraße ab, die sich durch die Siedlung schlängelt, folge mit dem Auto meinem ehemaligen Schulweg, bis ich am Ende einer Sackgasse vor dem Bungalow meiner Eltern den Wagen anhalte. Ich sehe mich in Gedanken mit Mama vor der Türe stehen: Den Reißverschluss meiner Jacke bis ans Kinn gezogen. Einen Kuss auf die Wange, bevor ich die Tragriemen meines schweren Schulrucksacks auf meine schmalen Schultern lege und mich auf den Weg mache -- ein Blick zurück, Mamas Lächeln, ein Winken als letzten Gruß.

Das Garagentor ist auf. Die rückseitige Tür zum Garten hin steht offen. Vaters Wagen auf dem Stellplatz vor der Garage. Papa wird im Garten sein. Hab dich oft durch mein Fenster beobachte, Papa, wenn du im Garten warst, ich meine Schularbeiten erledigte. Das fehlt mir. Du bist mir mein letzter Halt. Habe dich in meinen Gedanken immer bei mir. Ob du Gummibärchen für mich hast? --

Ich greife mir meine Handtasche, schlage die Fahrzeugtür zu und gehe an gepflegtem Rasen und ordentlichen Blumenbeeten vorbei zur Eingangstür. Petra ist in der Küche, hantiert vor dem Fenster, sieht mich kommen und öffnet mir die Tür.

»Hallo Mutter.«

»Laila, schön, dass du da bist, komm herein.« Sie und gibt mir einen Kuss an die Wange.

»Geht es dir gut, Laila?«

»Ja, Mutter, alles in Ordnung. Papa ist im Garten?«

»Ja, er schneidet die Hecke. Der Kaffee läuft gerade durch. Ich habe Kuchen gebacken.«

»Wäre nicht nötig gewesen.«

»Deshalb habe ich ihn gebacken«, erwidert sie und legt ein kaum wahrnehmbares, vorsichtiges Lächeln in ihre Mundwinkel.

»Bleibst du bis morgen?«

»Nein, ich werde mich am frühen Abend wieder auf den Weg machen.«

»Schade, Laila.«

»Ich begrüße dann mal Papa.«

»Ja, mach das.«

Ich höre die Heckenschere surren, betrete die Veranda, gehe durch den picobello gepflegten Garten und sehe ihn an der schnurgeraden Hecke hantieren.

»Nimm eine Leiter! So groß bist du auch wieder nicht!«

Die Heckenschere verstummt. Stattdessen ein herzhaftes Lachen, ein fröhliches, glückliches Gesicht und sogleich eine liebevolle Umarmung.

»Mein Engel!«

»Hallo Papa. Schön dich zu sehen.«

»Ja, hab dich auch vermisst, meine Sonnenblume.«

Ich lache, gebe ihm einen herzlichen Kuss auf die Wange und schaue ihn an. »Ist doch erst 4 Wochen her, Papa?«

»Ist schon seltsam, wie schnell die Jahre vergehen. Du wirst Mama immer ähnlicher.«

Ich lache glücklich, drücke mir eine Träne weg, halte ihn dabei fest an mich, schmiege meine Wange genüsslich an seine und schaue ihm schließlich in die Augen.

»Geht es dir gut, Papa?«

»Ja, die Kur hat mir gut getan, alles bestens. Wie sieht es denn bei meiner Tochter aus? Dumme Frage, Laila, ich weiß. Ich möchte dir halt in die Augen sehen, wenn du es mir sagst.«

Ich schaue ihn vergnügt an.

»Ich habe sie beeindruckt, Papa.«

Er lächelt, streichelt mir über die Wange. »Mein großes Mädchen, ich denke jeden Tag an dich«, meint er nachsinnend und schaut mich frohgelaunt an. »Ich habe von dir nichts anderes erwartet. Ansonsten? Schon einen hübschen Banker kennen gelernt?«

»Hör auf damit, Papa. Ich habe noch viel Zeit. Nur zu deiner Beruhigung: Ich darf auch darin die Wahl haben.«

»Genau das beunruhigt mich ja bei dir.«

Ich gebe ihm einen Stups mit dem Arm und lächle verlegen. »Höre auf. Es kommt schon irgendwann der Tag. Dann überrasche ich dich vielleicht mit einem netten, hübschen Mann an der Hand, der mehr Stil hat, als ein gewöhnlicher Banker. Im Moment muss ich mich halt auf anderes konzentrieren. Die ersten Studienunterlagen sind eingetrudelt«, wechsele ich das Thema. »Ist kein leichtes Vergnügen, Papa. Bei einigen Sachen werde ich wahrscheinlich deine Fachkenntnisse brauchen. Ziemlich komplexe Formeln, damit werde ich wohl viel zu ackern haben.«

»Keine Sorge, mein schlaues Mädchen. Du musst mir nur Bescheid geben. Ich bin immer für dich da, falls du mich brauchst, weißt du doch. So, und jetzt schneide ich schnell den Rest der Hecke zu Ende, und dann komme ich zu euch ins Haus.«

»Ja, mache das. Ich helfe Mutter beim Tischdecken -- hab dich lieb.«

Die Heckenschere beginnt wieder zu surren, während ich nachdenklich Richtung Veranda gehe, das Haus betrete, die Tür hinter mir schließe, um zur Küche zu gehen.

»Magst du mir helfen, Laila.«

»Ja.«

»Du kannst Geschirr und Besteck auflegen, wir setzten uns ins Esszimmer. Ich schneide schon mal den Kuchen an. Der Kaffee ist auch fertig.«

»Muss ich mir große Sorgen machen«, frage ich, als Petra aus der Küche kommt und den Kuchen in die Mitte des Esstisches stellt.

»Nein, ich denke nicht. Es war, Gott sei Dank, nur eine leichte Attacke, kein richtiger Infarkt. Es geht ihm wieder gut. Ich hab Tage vorher immer wieder auf ihn eingeredet, als ich merkte, dass irgendwas mit ihm nicht zu stimmen schien, es ihm zunehmend schlechter ging. Er solle endlich zum Arzt gehen, hab ich ständig mit ihm geschimpft. Aber du kennst ihn ja. Nicht auszudenken, wie schlimm es hätte ausgehen können, wenn es auf der Fahrt zu Schule passiert wäre und nicht am Frühstücktisch. Das war für ihn ein ordentlicher Schuss vor den Bug, und ich hatte solche Angst, Laila. Der Kardiologe hat ihm, Gott sei Dank, das passende gesagt, ihn vor vollendete Tatsachen gestellt und ihn erst mal aus dem Verkehr gezogen. Das musste wirklich sein, Laila. Es war höchste Zeit. Wusstest du, dass Vater schon einmal eine leichte Herzattacke hatte und niemandem etwas davon gesagt hat?«, meint sie vorwurfsvoll. »Ich hoffe, dein Vater ist jetzt zur Besinnung gekommen. Aber er muss halt immer was zu tun haben. Er ist unverbesserlich -- wenn er genauso auf sich acht geben würde, wie auf den Garten -- ich rufe ihn jetzt mal rein.«

Wir sitzen lange am Tisch, unterhalten uns. Ich höre auf die leisen Zwischentöne. Mutter ist wie immer bemüht. Nicht allein, was Kuchen und Kaffee angeht. Vater fragt nach meiner Arbeit, gibt mir Tipps oder erzählt von sich und seinem Alltag. Er fühlt sich nutzlos, muss sich daran gewöhnen, kürzer zu treten. Die Schule fehlt ihm. Petra taxiert mich, hakt geschickt nach, wenn es bei mir um mehr zu gehen scheint, als um Arbeit, Studium und Freizeitgestaltung. Vaters Herzattacke ist in diesen seltenen Stunden ein Randthema für mich. Ich blocke, als Petra es thematisieren will. Ich habe es ihm bereits am Telefon gesagt, war sauer auf ihn, will ihn nicht auch noch verlieren. Er hat sich erinnert, mich weinen gehört und es verstanden.

»Ich muss bald los«, meine ich und schaue auf meine Armbanduhr.

»Lasse dich bei uns öfter sehen, Laila. Vielleicht kommen wir dich in den nächsten Wochen für einen Nachmittag besuchen? Wäre doch schön, wenn wir es einrichten könnten«, meint Mutter und schaut Papa an.

»Ja, ist zwar eine lange Fahrt bis nach Frankfurt, aber die nehmen wir gerne auf uns. Zumal es dort einen wunderschönen botanischen Garten gibt, den du hoffentlich -- trotz deiner Arbeit -- schon besucht hast«, zwinkert er mir zu.

»Ja, das machen wir. Wir nehmen uns Zeit dafür«, erwidere ich und schaue ihn liebevoll an.

»Es gibt nicht nur die Arbeit, mein Sonnenschein.«

»Du warst mir in allem stets ein Vorbild, Papa.«

Er lächelt mich schelmisch an und nickt mir zu. »Ja, man kann so alt sein wie ein Ochse und sich verhalten wie ein junger Esel. Keine Angst, mein Sonnenschein, ich gebe in Zukunft mehr auf mich acht.«

»Ich habe noch eine Bitte, Papa: Wie du weißt, verdiene ich jetzt genügend Geld. Du musst mir nichts mehr zur Miete dazu geben. Ich kann mir bei meinem derzeitigen Verdienst sogar eine größere Wohnung leisten und denke darüber nach, mir eine andere zu suchen, die näher an meiner Arbeitsstelle liegt. Dann kann ich auch mal öffentliche Verkehrsmittel benutzen und etwas lesen. Das Schlimme ist der ständige Stau auf der Autobahn und der zähe Berufsverkehr in der Innenstadt. Da muss ich jeden Morgen und jeden Nachmittag mit dem Auto durch und dabei verliere ich einfach zu viel Zeit, die ich viel besser nutzen könnte. Dazu spare ich auch an Benzin. Mal schauen, was sich ergibt, Papa. Ist nicht einfach, etwas passendes zu finden. Der Wohnungsmarkt gibt momentan leider nicht viel her, was für mich räumlich und von der Wohnlage her in Frage käme. Na ja, in meinem finanziellen Rahmen muss es trotzdem liegen. Die Wohnungsmieten sind verdammt hoch. Ich gehe aber davon aus, bis spätestens Mitte nächsten Jahres etwas passendes gefunden zu haben. Wie gesagt, Papa, ich danke dir für deine Unterstützung, aber es ist wirklich nicht mehr nötig.«

Er hört mir aufmerksam zu und kneift seine Augen zu kleinen Schlitzen, als ich fertig bin, was er immer tut, wenn er bei mir hintergründiges vermutet.

»Ich verstehe dich. Gut, wenn du es so willst. Öffentliche Verkehrsmittel sind in der Tat für dich eine kostengünstige und entspannende Alternative. Dann erlaube mir wenigstens, etwas Geld für ein neues Auto zur Seite zu legen. Ich meine, es muss ja kein nagelneues sein. Ein guter, gebrauchter Wagen, Laila, der wesentlich weniger als 12 Jahre auf dem Buckel hat. Dein altes Auto wird es bestimmt nicht mehr lange machen. Habe dich trotz rasselnder Heckenschere mit diesem Vehikel auf den Parkplatz fahren hören. Dich muss man nicht sehen, um zu wissen, dass du mit dem Auto in die Straße einbiegst und vor unserem Haus hältst. Das Ding röhrt und quietscht vielleicht. In das Auto noch Geld für Reparaturen zu stecken, lohnt sich wirklich nicht. Hab mich eh gefragt, ob du es mit dieser Rostlaube bis hierhin schaffst.«

-- Darum ging es mir nicht, Papa. Du bist so lieb, denke ich bei mir und lächle ihm zu, weil er im Grunde, wie nicht anders zu erwarten, mit seiner Antwort mein eigentliches Problem anspricht und mir zugleich eine seiner leichten Lösungsansätze dafür in Aussicht stellt. Ihm es auszureden hat eh keinen Zweck. --

»Dann höre besser nicht hin, wenn ich gleich den Rückwärtsgang einlege. Ja, es stimmt, ist eine alte Gurke, die ich da fahre. Na gut, wenn du meinst. Ist wirklich lieb von dir. So, ich muss dann los«, seufze ich und stehe auf.

»Komm her, Kleines, lass dich nochmal feste drücken.«

»Ich hab dich lieb, Papa«

»Ja, ich dich auch, Laila. Passe gut auf dich auf und melde dich regelmäßig.«

»Werde ich, und übertreibe es nicht, hast du verstanden, Papa?«

»Keine Angst, ich will meine Enkel noch im Arm halten dürfen, um ihnen meine Sonnenblumen zu zeigen«, meint Papa, lässt mich los und schaut mich an. Er nickt mir lächelnd zu, gibt mir einen Kuss auf die Stirn und geht wieder Richtung Veranda.

Ich lache, wende mich Mutter zu und umarme sie kurz.

»Bevor ich es vergesse, Laila, ich habe noch etwas für dich.«

Ich folge ihr Richtung Küche und sehe mich in Gedanken mit einem Teller voller Kuchenteilchen in der Hand das Haus verlassen.

Sie nimmt einen Zettel von der Pinnwand und überreicht ihn mir.

»Eine Telefonnummer?«

Petra schaut mich abwartend an.

»Birthe Wegener war vorgestern hier und hat sie mir gegeben, mit der Bitte, sie an dich weiterzureichen.«

»Birthe Wegener aus dem Volleyballverein? Was will Birthe denn von mir? Hab schon ewig keinen Kontakt mehr zu ihr?«

»Sie hat vergebens versucht dich zu erreichen. Du stehst nicht im Telefonbuch, und Birthe hatte nur deine alte Handynummer. Deshalb kam sie hier vorbei. Sie sagte mir, dass ich dir liebe Grüße von Frau Fendrich ausrichten soll. Das ist ihre Telefonnummer.«

»Frau Fendrich?«

Mutter beäugt mich neugierig.

»Frau Fendrich hat letzten Sonntag ihre Mutter im Altersheim besucht. Bei der Gelegenheit hat sie einen Abstecher zum Sportfest deines -- eures -- ehemaligen Vereins gemacht, um zu hören, wie es mit dem Verein läuft und die eine oder andere Spielerin wiederzusehen. Das hat Birthe mir erzählt. Frau Fendrich hat sich bei der Gelegenheit natürlich auch nach dir erkundigt.«

-- Ich kenne diesen Tonfall in deiner Stimme. Lasse es, Petra. --

»Danke, Mutter.«

»Du bist alt genug, Laila, lebst dein eigenes Leben. Die Umstände haben sich geändert. Es ist jetzt ... vieles anders. Du musst wissen, was du tust.«

»Du hast was aus gelassen, Petra.«

Sie runzelt die Stirn.

»Was?«

»Ein Gott sei Dank

»Ich habe immer hinter dir gestanden, Laila. Habe mir ehrliche Sorgen um dich gemacht«, meint sie vorwurfsvoll.

»Mutter, es ist nicht so, dass ich undankbar wäre. Ich weiß vieles zu schätzen. Aber, wie du sagtest: Du hast immer hinter mir gestanden und mich in die Richtung drehen wollen, die dir passend erschien. Sie hat mich dagegen an die Hand genommen.«

Petra will etwas antworten, nimmt sich zurück, schaut mich an.

»Danke nochmals, dass du mich informiert hast.« Ich, schaue auf den Zettel mit Maikes Telefonnummer, stecke ihn ein und wende mich zur Tür.

»Laila!«

Ich drehe mich zu ihr.

»Ich weiß, ich habe damals einen Fehler gemacht. Ich hätte vorher mit dir sprechen müssen.«

»Das war es nicht, Petra. Du hast immer dein Möglichstes getan. Aber du warst nie wie eine Mutter für mich. Ich habe dir nie wirklich vertrauen können, und ich habe recht behalten. Du hättest niemals darin lesen dürfen, und das weißt du«, erwidere ich kühl. »Das Vater dich liebt ist eine andere Sache«, füge ich hinzu, drehe mich um und will gehen.

Ich bleibe mit dem Rücken zu ihr stehen, halte die Türklinke in der Hand und will noch eines wissen:

»Hast du mit ihm irgendwann darüber gesprochen?«

»Nein, er weiß es nicht, niemand sonst weiß davon«, höre ich sie in meinem Rücken.

»Gut. Halte dich daran. Es gibt Dinge, die Vater nicht versteht, dennoch akzeptieren kann. Bei dir ist es seltsamerweise umgekehrt.«

»Melde dich bei uns, Laila«, ruft sie mir nach, als ich mit gemischten Gefühlen das Haus verlasse und zu meinem Auto gehe.

-- Verdammt, es gibt nichts Schlimmeres, als mütterliche Eifersucht. Sie wird es nie akzeptieren. Siehe es ein, Petra, es ist dir gründlich misslungen. Ich weiß noch nicht, was ich tun werde. Jedenfalls muss ich etwas tun. Ich muss und ich werde. Nicht sofort. Es kommt alles auf einmal. Ein bisschen zu viel auf einmal, Laila. Keine Panik. Du behältst alles im Blick. Ich weiß nicht warum, Maike? Warum nach alle den Jahren? Ich hab es versucht, dir zuliebe -- hab dich aus eben diesem Grunde nie vergessen können. Scheiße, was für ein Gefühl. --

Ich atme tief durch. Mir ist nach Lachen und Weinen zugleich. Ich sortiere meine Gedanken, öffne die Fahrertür und steige ein.

Auf dem Beifahrersitz erregt eine Maxi-Tüte Gummibärchen meine Aufmerksamkeit, lenkt meine Gedanken sofort in eine andere Richtung und lässt mich vergnügt auflachen.

Ich nehme einen Zettel in die Hand, der daneben liegt.

Ich bin so stolz auf dich, Laila, meine Sonnenblume. Hab darauf geachtet, dass viele Rote dabei sind. Aber das ist es nicht allein. Ich hab dich lieb. Dein glücklicher Papa.

- * -

Montag, 12. September, gegen 22:30 Uhr:

»Hallo Laila -- du bist noch wach?«

»Ja«, murmele ich. Nicht mehr lange. Ich wollte noch deine Stimme hören.«

»Liegst schon im Bett?«

»Ja, hab mir das Handy ans Ohr gelegt und das Licht aus gemacht«, gähne ich und kuschele mich ans Kopfkissen. »Wie war dein Tag, Bernd, was machst du noch?«

»Anstrengend. Ich bin erst seit einer halben Stunde zu Hause. Viel Bürokram. Hab schnell was gegessen, höre jetzt Musik bei einem kühlen Bier und hänge in der Couch. Ich bin zwar ziemlich fertig, aber noch zu aufgedreht und versuche etwas runter zu kommen, bevor ich ins Bett gehe.«

»Mein Tag war auch anstrengend, wie das ganze Wochenende. Hab gelesen, gelernt -- ich bin jetzt auch hundemüde. Sag mir noch etwas Liebes, wovon ich träumen werde, wenn ich es schon nicht fühlen kann.«

Ich höre Bernd leise lachen.

»Ja, ich vermisse dich auch Laila. Ich hab dich lieb. Würde dich jetzt gerne im Arm halten und zusammen mit dir einschlafen«, flüstert er mir sanft ins Ohr.

»Das hab ich mir in letzter Zeit oft anhören müssen. Sag mir etwas, wovon ich seit unserem letzten Wochenende nicht geträumt habe -- seit 9 Tagen Bernd. Das bisschen Knutschen und in den Arm nehmen, so für zwischendurch auf einem blöden Parkplatz, das ist mir viel zu wenig«, murmele ich, gähne wieder und fühle die Schwere meiner Augenlider.

Einen Moment schweigt er. Ich höre leise Musik im Hintergrund.

»Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich dich vermisse, Laila. Jeden Tag. Tagträume, mein Engel. Weißt du, ich liebe es, die Sonne aufgehen zu sehen, wenn sie mir dabei ins Gesicht scheint. Selbst dann, wenn ich Morgens die Vorhänge aufziehe und sehe, dass der Himmel grau in grau ist, es regnet, da draußen so furchtbar ungemütlich zugeht und ich weiß, wie anstrengend der Arbeitstag wieder sein wird. Die Sonne -- meine Sonne -- ist immer da.«

»Ja, sie ist immer da, Bernd.«

»Manchmal sitze ich am Schreibtisch, schaue mir Pläne an, genehmige Rechnungen, prüfe Angebote von Firmen. Das übliche, alltägliche Einerlei. Dann schließe ich die Augen und stelle sie mir vor. Sobald ich mich am Schreibtisch zurück lehne, an sie denke, wird mir warm ums Herz. Oder ich bin auf dem Weg zur Baustelle, sehe und höre zwar den Regen gegen die Frontscheibe prasseln, komme dann irgendwann an und frage mich, wie ich den Weg hinter mich gebracht habe, weil ich mit meinen Gedanken bei ihr war. Dann ist mir alles gleichgültig. Sie ist es nicht. Dann wird es plötzlich ein guter, sonniger Tag, egal, was kommt. Erinnerst du dich an unser erstes Gespräch, an die ersten Worte, die wir gewechselt haben, mein Engel?«

»Ja. Wie ist sie denn so, deine Sonne, vielleicht sehe ich sie ganz anders?«, hake ich nach.

»Morgens wirft sie ein warmes, weiches Orange-Rot, man kann es ansehen, ohne geblendet zu werden, an ihrer Ausstrahlung zu erblinden. Blendend kann sie aussehen, weißglühend am Mittag -- dann regt sie meine Fantasie an, lässt mich alles geben, denn sie fordert mich heraus, etwas für sie zu tun. Ich liebe es, wenn sie mich so anstrahlt, dann wird mir heiß. Abends, sobald ich ins Bett gehe, lege ich meine Hand neben mir aufs kühle Bettlaken und versuche sie in Gedanken zu berühren, wobei ich befürchte, mir an ihr die Finger zu verbrennen. Ich rufe diese Sonne an, Laila, und ich habe keine Angst mehr, sie eines Tages nicht wieder aufgehen zu sehen.«

»Hörst du dir gerade so eine blöde Schnulze an?«, säusele ich schlaftrunken und kuschele mein Ohr ans Handy.

»Nein, ganz sicher keine Schnulze«, lacht mir Bernd leise ins Ohr. »Dieser Song rührt mich an, Schatz. Ich versuche deine Stimme heraus zu hören. Zu fühlen, wie es sein wird, sobald du mich erhörst und meinen Namen rufst.«

»Du kannst ja richtig romantisch sein -- meine Stimme?«, murmle ich.

»Ich kann nicht in Worte fassen, was in mir vorgeht, wenn ich in deine schwarzen abgrundtiefen Augen sehe, meine dunkle Schönheit. Du ziehst mich unbändig an und all meine Gedanken und Gefühle kreisen um dieses Mysterium -- ich höre es mir oft an, heute Abend schon zum dritten Mal und hänge meinen Gedanken nach. Will es immer wieder fühlen. Ich habe keine Angst mehr davor, Laila ..., möchtest du es hören?«

»Ja«, flüstere ich ihm zu, wohl wissend, dass er mich meint, als er gedämpft in einen Song einstimmt. Ein Lied, welches mich aufrüttelt, erschauern und aufhorchen lässt, sobald ich es höre, es ebenso liebe, obwohl es mich traurig stimmt, ich dabei an Mama denken muss -- mich nunmehr sanft wiegt und binnen Kurzem ruhig einschlafen lässt: