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Alle Kommentare zu 'Das Fenster zum Nachbarn'

von ozito

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  • 2 Kommentare
Auden JamesAuden Jamesvor etwa 9 Jahren
Beschildern ≠ Erzählen

Der vorliegende Text kränkelt an einem auf LIT und ähnlichen Portalen, insbesondere in Bezug auf die expliziten Textstellen, weitverbreiteten Problem: Der Autor beschildert das Geschehen nur, statt es zu erzählen! Was ist damit gemeint? Nun, ein Blick in „Das Fenster zum Nachbarn“ sollte dies klarlegen: In einem fort wird, in vorzugsweise parataktischem Stil, dem geneigten Leser eine Aktion nach der anderen Aktion des beobachteten Pärchens angeführt und angezeigt, quasi: beschildert, ohne den inneren wie äußeren Begleiterscheinungen Beachtung zu schenken, wie in einem Kommentar zu einem Fußballspiel nach dem Prinzip (kein Zitat): „Ole tat dies, dann das, Maja tat darauf das, dann Ole dies etc. pp.“ Das entbehrt fast gänzlich irgendeiner Spannung und Erotik!

Was den Text in einem gewissen Sinne „rettet“, ist der Umstand, dass die – offenkundige – Fantasie des Autors mehr oder weniger in die Wirklichkeit übertragbar bleibt, weil weder die beschilderten Aktionen des bespannten Pärchens noch die des Voyeurs und Ich-Erzählers in Personalunion (im Übrigen die grundsätzlich richtige Perspektive für eine Voyeurgeschichte!) in die unglaubhaften Bahnen des billigen Pornos abgleiten, obschon nicht unterschlagen sei, dass der Pärchenakt nicht frei von Klischees ausfällt (refraktärlose Potenz, wechselseitiger Orgasmus etc.), was ihm einen Teil seines authentischen Reizes nimmt. Zudem erscheint die Beobachtungstiefe des Ich-Erzählers, der wirklich a l l e s zu sehen scheint, übertrieben, wenn nicht sogar als ein Grenzfall der Verletzung der gewählten Erzählperspektive. Hier macht es sich der Autor nicht nur zu leicht, sondern torpediert auch eine größere Glaubhaftigkeit seiner eigenen Geschichte! Dafür überrascht er den geneigten Leser am Ende, wenn er in seiner voyeuristischer Identifikation mit dem Ich-Erzähler auf das eigenes Handeln zurückgeworfen wird. Das ist nicht schlecht!

Die sprachliche Gestaltung fällt, wie beim Beschildern üblich, knapp und sachlich aus, was zwar von einer gewissen stilistischen Sicherheit zeugt, aber den Text jedwede Komplexität nimmt und damit seinen eindimensionalen Beschilderungscharakter nur noch unterstreicht. Nicht vorteilhaft!

Fazit: Ein Text, der über das bloße Beschildern des sexuellen Aktes eines bespannten Pärchens im Nachbarhaus nicht wirklich hinauskommt und deshalb weder in erotischer noch erzählerischer Hinsicht nennenswert Eindruck macht. Ob der Kürze des Texts und bei Neigung zu voyeuristischen Fantasien kann einen Blick wagen, muss man aber nicht wirklich!

–AJ

Auden JamesAuden Jamesvor etwa 9 Jahren
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