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Unterwerfung des Innenarchitekten

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Sie öffnete die Tür am Ende des Flurs und ging in das Zimmer. Er folgte ihr. Der Raum war vollkommen dunkel, die Rollläden waren heruntergelassen. Sie schloss die Tür hinter ihm, und für einen Moment standen sie beide in kompletter Dunkelheit.

Er stellte sich vor, dass sie sich auf ihn stürzen würde, vielleicht mit einem Tritt in die Kniekehle aus dem Selbstverteidigungskurs zu Boden bringen würde. Er stellte sich vor, wie sie sich auf ihn werfen würde, bevor er es sich versah, ihn irgendwie fixierte, vielleicht mit Handschellen, die sie ihm schnell umlegte. Wie sie sich auf seine Brust setzen würde, ihr Geschlecht nur wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt. Er stellte sich vor, wie er sich gegen die Fesseln sträubte, worüber sie aber nur lachte. Denn er mochte eine Uni besucht haben, sie aber die Schule des Lebens, und die hatte sie gelehrt, wie man mit Männern umging, wie man sie überwältigen konnte.

Über ihn gebeugt schaute sie auf ihn herab, und er würde in ihren Augen für einen Moment eine Schönheit entdecken, der sie sich selbst nicht bewusst war. Es wäre vielleicht nur ein Aufblitzen eines Moments, während ihr schaler Atem auf ihn niedersank.

Aber nichts dergleichen geschah. Keine Überraschung, kein sexueller Überfall.

Sie kramte hinter ihm, und seine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit. Ein wenig Licht fiel durch den Türspalt und die Rollläden. Doch bevor er die Umrisse identifizieren konnte, war ein Licht angeknipst worden. Mistress Jasmin saß in einem Ohrensessel. Später fiel Michael ein, dass er den aus dem Ikea-Katalog kannte. Aber in diesem Augenblick ließ er sich von seiner Phantasie leiten. Neben all dem Billigen, das die ganze Situation prägte, strahlte sie nun etwas Majestätisches aus, wie sie in ihrem Sessel saß mit übergeschlagenen Beinen, die lang und einladend wirkten. Er hätte gerne zu ihren Füßen die Schuhe abgeleckt, obwohl er bislang nie einen Fußfetisch gehegt hatte. All diese Eindrücke überraschten ihn, erwischten ihn auf dem falschen Fuß.

In ihrer Hand hielt sie eine Reitgerte, die sie spielerisch hin und her schwenkte. Auch diese Geste war zu klischeehaft.

Nebenbei nahm er die restliche Einrichtung des schwach beleuchteten Zimmers wahr. An den ansonsten leeren Wänden hingen Peitschen, Gerten, Ruten, Paddel und andere Schlaginstrumente. Er sah einige Utensilien, die er mit Namen nicht benennen konnte, aber aus Pornovideos kannte. Sie verfehlten ihre Wirkung nicht und machten ihn nervös wie die Folterwerkzeuge, die beiläufig auf einem kleinen Tisch ausgelegt waren wie in einem Horrorfilm. In der Ecke stand ein geschlossener Kleiderschrank, den er auf die früher Achtziger taxierte. Schließlich befand sich in dem Zimmer noch ein altes Bett mit einem Stahlgestell, an dessen Ecken Ledermanschetten zu finden waren.

„Zieh dich aus!", blaffte die Frau ihn an und wedelte ungeduldig mit der Gerte hin und her.

Michael zögerte. Nun wurde es ernst.

„Mach schon!", trieb sie ihn an. „Die Zeit läuft, du perverse Sau!"

Er schluckte, zog seine Jacke aus und ließ sie zu Boden fallen. Dann öffnete er langsam den obersten Knopf seines Hemdes. Die hinterher geschobene Beleidigung kam bei ihm nicht gut an. Er hätte darauf verzichten können, vor allem, weil er in ihren Worten eine ernst gemeinte Abneigung gegenüber seinen Wünschen festzustellen glaubte, und die wollte er nicht unter die Nase gerieben bekommen. Aber Michael redete sich ein, dass das wohl zu dem Spiel gehörte. Immerhin war sie so etwas wie ein Profi.

Sie sah ihn gelangweilt an, bedeutete mit der Gerte weiterzumachen, und er gehorchte. Seine Erregung war nun nicht mehr zu steigern. Er konnte sich nicht erinnern, wann er jemals so etwas gefühlt hatte, wann er jemals so geil gewesen war. Michael hatte das Gefühl, seiner Bestimmung nahe zu sein. Und es hatte noch nicht einmal richtig angefangen!

Er genoss diesen Augenblick. Die Arroganz dieser fremden Frau, die sich so plump verhielt, ihre abschätzigen und gelangweilten Blicke. Jeder Knopf, den er öffnete, entblößte ihn mehr und zeigte seine Unterlegenheit. Er gab sich ihr hin, lieferte sich ihr aus. Ihr, einer wildfremden Frau! Sie konnte befehlen, und er würde gehorchen, würde ihre Führung anerkennen.

Er ließ das Hemd von den Schultern gleiten und zog das T-Shirt aus. Nun stand er mit bloßem Oberkörper vor ihm.

„Schneller, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit, du Wichser!" Die letzten Worte spuckte sie aus. Sie lachte über ihre eigenen Worte, und da war wieder dieses Gefühl, dass er sich rechtfertigen musste.

Er öffnete den Gürtel seiner Jeans, dann den Knopf, stieg etwas ungelenk und sicher nicht sehr erotisch aus der engen Hose. Vorher kickte er noch die Slipper von den Füßen. Er hielt einen Moment inne und sah sie flehentlich an, als würde er sie mit den Augen bitten, nicht noch mehr von ihm zu fordern und Mitleid zu haben. Aber sie reagierte nicht darauf, sah ihn nicht an, und so konnte er diesen Augenblick der Erniedrigung nicht genießen. Gerade wollte er sich bücken, um die Socken auszuziehen, da unterbrach Mistress Jasmin ihn:

„Komm, reicht schon! Die Unterhose bleibt an, dass du kleiner Spinner scharf bist, kann ich sehen!" Sie zeigte auf die Beule in seinen Shorts. „Ich will keine Schweinereien auf dem Bett! Wenn es dir zu viel wird, spritz mal schön in deine Unterhose!"

Michael ließ die Bemerkungen über sich ergehen. Er hätte ihr gerne gesagt, dass er auf diese Art von verbaler Erniedrigung nicht stand. Aber durfte er das? Vermutlich gab es für so etwas Regeln. Er kannte sich da nicht aus, und so schwieg er lieber. Er wollte sich nicht auch noch als Anfänger outen, der keine Ahnung hatte.

Vielleicht hätte er es besser tun sollen. Denn von diesem Moment an ging so ziemlich alles schief, und der bis dahin fast gelungene Augenblick zerbrach. Im Nachhinein war ihm klar, dass er vorher hätte stutzig werden müssen. Er hätte vorher mit ihr absprechen sollen, was er wollte und was nicht, wo seine Grenzen lagen, worauf er stand. In seiner Internetrecherche hatte er gelesen, dass Dominas das eigentlich so machten.

Mistress Jasmin nicht.

In diesem Moment war der Großteil seines Blutes leider nicht in seinem Hirn, sondern damit beschäftigt, seinen kleinen Freund steif zu halten.

Und so legte er sich bäuchlings auf das Bett, ließ sich von Mistress Jasmin an Armen und Beinen fesseln und auch noch einen Gummiknebel anlegen. Es war ein ekliges Teil, das nach billigem Plastik roch. Er fing sofort an zu sabbern, und der Speichel lief ihm bald aus den Mundwinkeln. Aber das war nicht das Schlimmste. Das Schlimmste war, dass die Domina nun begann, seinen Hintern und seinen Rücken mit der Reitgerte zu malträtieren, und das mit einer Wucht, die ihm vom ersten Schlag an schon Sorgen machte, denn es tat verdammt weh!

Wie sie die Gerte zischend auf seinen Hintern niedergehen ließ!

Vorher hatte sie ihm die Boxershorts noch halb heruntergezogen, damit ihre Schläge noch mehr Wirkung erzielten.

Michael stöhnte laut auf, doch der Knebel in seinem Mund ließ nur unartikulierte Geräusche aus seinem sabbernden Mund nach draußen. Die nächsten Minuten sollte er so richtig bereuen, dass er ihr nicht gesagt hatte, wie wenig er auf Schmerzen stand, dass er gerne dominiert, aber nicht verprügelt werden wollte. Er bereute, dass er sich eine unerfahrene Domina ausgesucht hatte, die nur 218 Besucher auf ihrer Webseite vorzuweisen hatte. Er bereute selbst Dinge, an denen er keine Schuld hatte. Er bereute seine Arroganz ihr gegenüber, seine Überheblichkeit, er bereute sogar Jugendsünden: dass er Sarah in der dritten Klasse gemobbt hatte, dass er seiner Lehrerin einen klitschnassen Schwamm auf den Stuhl gelegt hatte, und sie sich darauf gesetzt hatte.

Während ein Schlag nach dem nächsten, auf seinem Hintern landete, mittlerweile nicht mehr mit der Reitgerte, sondern mit einem hölzernen Paddel ausgeführt, bereute er wie noch nie zuvor.

Er riss an seinen Fesseln, die natürlich bombenfest saßen, schrie in den Ball Gag. Die Tränen liefen ihm das Gesicht herunter und mischten sich mit seinem Speichel auf dem Bettlaken. Er fragte sich, wie er sie zum Aufhören bringen konnte. Sollte er noch lauter schreien, sich noch mehr gegen die Fesseln stemmen? Aber das würde sie vielleicht als Zeichen von Erregung interpretieren. Oder sollte er still halten? Aber das könnte sie so deuten, dass er noch mehr wollte.

Er konnte nichts tun, musste also da durch.

Nur weit in seinem Hinterkopf war da noch etwas anderes. Wie ein Riese, der sich vorsichtig im Sturm am Horizont zeigt. Ein verschämter Gigant. Michael spürte die Kraft, die hinter dem Gedanken stand, ihr ausgeliefert zu sein. Er konnte sich nicht wehren, war ihr ausgeliefert, dieser fremden Frau. Sie konnte tun mit ihm, was sie wollte, und das tat sie auch. Hinter dem Sturm des Schmerzens stand er dort. Dieser Wunsch zu leiden, zu dienen, ihr zu Füßen zu liegen und eben auch mit den Konsequenzen zu leben. Das war es, was er wollte. Es war nur der Schmerz, den er nicht wollte. Aber da war etwas, da war dieser Gigant, und den konnte er nicht ignorieren, er wollte es auch nicht. Er wollte wissen, wie mächtig er in ihm war, auch wenn er sich bislang versteckt hatte und sich nun verschämt zum ersten Mal heraus traute. Er wollte das. Aber er wollte es nicht so. Beileibe nicht. Es waren die längsten Minuten in seinem Leben, und er war unendlich dankbar, als sie endlich von ihm abließ.

„Hast du genug, du Sau?", fragte sie, und er nickte mit letzter Kraft.

„Du bist eine Schwuchtel, weißt du das?"

Er war keine Schwuchtel.

Wie ihm seine vorherige Arroganz Leid tat, nahm er auch Anstoß an dem Begriff „Schwuchtel". Das sagte man nicht, und es traf nicht auf ihn zu!

Er nickte trotzdem, weil es wahrscheinlich besser war.

Er spürte, wie sie seine Fesseln löste.

„Wenn du noch abspritzen willst, dahinten sind Kleenex und ein Mülleimer. Wehe, du spritzt auf meine Laken! Die sind frisch gewaschen! Wenn du fertig bist, verschwinde!"

Mit diesen Worten verließ sie das Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu. Wie konnte sie nur glauben, dass er noch zu irgendeinem sexuellen Akt in der Lage war?

Michael war froh, als sie weg war. Er blieb noch einen Augenblick liegen, dann raffte er sich auf, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und den Sabber vom Mund. Er versuchte, seine Fassung wiederzuerlangen und stand vorsichtig auf. Sein Hintern brannte wie Feuer, als er die Shorts hochzog. Er zog sich, so schnell es ging, an, doch die Jeans hochzuziehen war verdammt schwierig und tat höllisch weh. Ohne sich zu bücken, schlüpfte er in seine Schuhe. Er atmete noch einmal tief durch und verließ dann wie auf rohen Eiern relativ schnellen Schrittes das Zimmer.

Der Flur war leer, von Jasmin war keine Spur zu sehen. Aus einem Raum ertönte leise das Radio. Michael kümmerte sich nicht drum. Er ging weiter, öffnete die Wohnungstür, wankte hinaus, das Treppenhaus hinunter zu seinem Wagen.

Die Jugendlichen standen immer noch an ihrem Platz. Er beachtete sie nicht, und es war ihm auch egal, als sie lachten, als wüssten sie, was ihm widerfahren war. Er stieg vorsichtig in seinen Wagen, sein Arsch brannte, als er sich setzte.

Er machte, dass er wegkam.

So schnell es nur ging.

Er fuhr eine ganze Weile, bis er sich gefangen hatte. Er fluchte laut über das verdammte asoziale Miststück, das ihn so malträtiert hatte!

Er beschimpfte sie, und nun fielen ihm all die klugen Worte ein, die er ihr in ihrer Wohnung noch hätte mitgeben sollen. Er hätte ihr sagen wollen, was für eine lausige Domina sie war, dass sie keine Ahnung hatte, keinen Stil und keine Manieren. Er hätte ihr sagen sollen, dass seine Geilheit nur auf Mitleid für sie aufgebaut war. Er hätte ihr ihren beschissenen Geschmack vorwerfen sollen. Und vor allem hätte er ihr sagen wollen, dass er ihr eine beschissene Kritik hinterlassen würde auf dieser Seite, von der er gehört hatte, auf der man Prostituierte bewerten konnte.

Natürlich hätte er diese Seite eigentlich vor seinem Besuch konsultieren müssen, das war ihm nun auch klar.

Michael regte sich also lange und ausgiebig auf. Als er wieder zuhause angekommen war, hatte er das Erlebnis einigermaßen verarbeitet. Aber sein wunder Hintern sollte noch ein paar Tage brennen.

Kapitel 4 RECHERCHEN

Als Michael am Tag nach dieser Begegnung in seiner teuren, großen Badewanne saß, und das warme Wasser und das eingebaute Luftsprudelbad die Schmerzen an seinem Hintern linderten, hatte er das Erlebnis mit der Domina schon wieder mehr oder weniger verarbeitet, und er ließ sein Treffen Revue passieren. Mittlerweile war seine Bewertung nicht mehr so eindeutig.

Offensichtlich war er an eine so richtig inkompetente Domina geraten, die nicht den geringsten Plan hatte. Er wollte definitiv nicht wieder zu ihr zurück. Aber er musste sich auch eingestehen, dass abgesehen von der Trachtprügel, die er hatte einstecken müssen, er schon geil geworden war und einige Erfahrungen gemacht hatte, die er auf jeden Fall wieder erleben wollte.

Er wollte mehr davon. Nur eben nicht so.

Wie hatte all die Jahre so etwas in ihm schlummern können, ohne dass er so richtig wusste, was das war? Er hatte wohl schon immer starke Frauen gemocht, aber es war vage und unspezifisch geblieben. Michael hatte sich nie so richtig Gedanken darüber gemacht. Stattdessen war er in seinen zahlreichen Beziehungen immer mehr oder weniger damit beschäftigt gewesen, den Macho zu geben und den starken Mann zu markieren. Und plötzlich entdeckte er diese ziemlich neue Seite an sich. Allmählich war ihm das bewusst geworden, und nun war es aus ihm herausgebrochen. Und das in den wenigen Minuten, die er vor der Tür der Domina gewartet hatte und seinen Gedanken freien Lauf gelassen hatte. Noch mehr als in den wenigen Augenblicken, in denen er in ihrem Spielzimmer gewesen war und die Dinge den Bach runter gegangen waren.

Er wollte jetzt jedenfalls mehr!

Michael musste nur eine Domina finden, die etwas einfühlsamer war, die auf seine Bedürfnisse einging, die sich nicht in Klischees erschöpfte. Wie schwer konnte das sein?

Er stieg aus der Wanne, wickelte sich in seinen Bademantel und setzte sich mit dem Laptop auf sein Barcelona-Sofa.

Nach einigen Stunden der Recherche im Internet wusste er, dass es verdammt schwer war, seine persönliche Domina zu finden. Er hatte sich in diversen Sado-Maso Seiten eingeschrieben, Profile angelegt, Kleinanzeigen gelesen. Aber 97 Prozent der Mitglieder dort schienen Männer zu sein, die alle auf der gleichen Suche wie er waren. Er setzte seinerseits eine Anzeige auf, die ziemlich ähnlich klang wie all die anderen vor ihm von all den anderen Männern. Er rechnete sich keine großen Chancen aus, eine sinnvolle Antwort zu erhalten, und er sollte auch keine bekommen.

Zudem schreckte ihn diese ganze Szene ab. Nicht nur erschien ihm das alles sehr kompliziert, es gab auch einen Haufen zu wissen über all die Spielarten, Fetische, Interessen, die man haben und ausleben konnte. Es wimmelte von Abkürzungen. Code-Wörtern, Fachbegriffen. Am Ende verbrachte er die meiste Zeit damit, sich in einem SM-Lexikon mit Begriffen wie Natursekt und Abkürzungen wie CBT zu beschäftigen.

Ihm war das alles irgendwie unangenehm. Es klang schmuddelig, und Michael war schnell ernüchtert. Er wollte nur ein wenig Spaß und nicht Teil dieser Subkultur werden.

Je mehr er über diesen Lifestyle las, desto weniger wollte er Teil davon sein. Nicht, dass Michael besonders prüde war, aber er wollte auch nicht mit Leuten in einen Topf geworfen werden, die es mochten, Windeln zu tragen, in Frischhaltefolie eingewickelt zu werden oder mit Fäkalien zu hantieren.

Seine Neigung war im Vergleich dazu vollkommen banal. Er wollte sich doch einfach nur von einer Frau unterwerfen lassen. Konnte es so schwer sein, jemanden zu finden, der solche Interessen teilte? Offensichtlich sehr schwer, und dass auf jeden Topf ein Deckel passt, wie man sagte, das sah er zumindest in dieser Angelegenheit noch nicht.

Als er den Rechner zuklappte, war sein Enthusiasmus jedenfalls wieder ein wenig erkaltet. Das Internet schien ihm außer Pornografie in der Beziehung nicht viel bieten zu können.

Er würde sich also wieder eine professionelle Domina suchen müssen.

Michael war frustriert. Er überquerte den Flur und ging in sein Büro, um noch ein wenig zu arbeiten. Aber obwohl er einige Aufträge hatte, die seine Zeit erforderten, war ihm in diesem Moment nicht nach Arbeit.

Man hatte Michael noch nie vorgeworfen, zu ehrgeizig zu sein. Im Gegenteil, er galt in seiner Familie als das schwarze Schaf, weil er einfach nicht den Biss hatte, den sein Vater und sein Großvater verspürt hatten. Er hatte halt das Pech, in ein gemachtes Bett geboren zu sein und mit goldenen Löffeln gefüttert worden zu sein. Wie konnte er ehrgeizig sein, wenn er doch alles hatte? Er hatte sich nie etwas richtig erarbeiten müssen. Es war immer alles da gewesen, was er brauchte. Michael kannte keinen Mangel. Er empfand seine Antriebslosigkeit daher auch nicht als seine eigene Schuld. Vielmehr machte er seinen Vater und seinen Großvater verantwortlich. Die waren so gierig gewesen, hatten sich so reingehängt, dass es nichts mehr für Michael zu gewinnen gab. Sie waren so erfolgreich gewesen, dass es für ihn nichts mehr zu tun gab. Er konnte die Früchte ernten, und auf den Lorbeeren der anderen saß es sich auch ganz bequem. Was konnte er dagegen tun? Sein Abitur hatte er gerade so bestanden. Sein Studium hatte länger gedauert als notwendig. Seine Selbständigkeit hatte er mit dem Geld seiner Familie finanziert. Seine ersten Klienten waren die Kunden seines Vaters. Sein Vater hatte gemeint, er könne die Kosten absetzen, wenn das mit seiner Firma nicht klappen sollte. Sein Vater hatte das ganze Unterfangen von Michaels Selbstständigkeit schon vor Beginn als Verlust abgeschrieben. Sein Großvater hatte noch nie viel von Innenarchitekten gehalten.

„Die haben einen Haufen Schnapsideen, aber keinen Plan von irgendwas. Alles Scheiße! Ich brauche nur einen Bauingenieur, der mir ein stinknormales Haus mit Satteldach plant. Mehr braucht kein Mensch!" Das war seine Haltung. Sein Großvater war da eindeutig konservativ.

Dass Michael aber von Beginn an einigermaßen erfolgreich war, wurde in der Familie nicht weiter kommentiert. Sicherlich spielte sein Nachname eine Rolle bei der Akquise von Kunden, denn man riss sich teilweise darum, mit der Familie Geschäfte zu machen, und wenn man den Sohn engagierte, hoffte man, einen Fuß in die Tür zu bekommen, um größere Projekte anbahnen zu können. Aber zunehmend machte Michael sich auch einen Ruf für seinen modernen, frischen Geschmack, für seine guten Ideen und alles Mögliche sonst noch, und sein Umsatz stieg. Fast konnte er schon jetzt davon leben, und lange würde er nicht mehr auf die monatlichen Zuzahlungen angewiesen sein. Bald wäre es soweit. Nur eben im Moment noch nicht.

Kapitel 5 DOMINANZ-IGNORANZ

„Diese verdammte Domina!"

Alina musste schmunzeln. Sie hatte den Transporter abgegeben und fuhr nun mit dem Bus zurück in ihre neue Wohnung.

So richtig hatte sie sich noch kein Bild von Michael gemacht. Er war ihr sympathisch. Er war sicherlich nicht der große Unternehmer, als der er sich selbst darstellte. Aber er musste gut sein in seinem Job, sonst konnte er es sich bestimmt nicht leisten, so wenig zu arbeiten.

Michael schien hilfsbereit, wenn auch ein wenig unmotiviert. Mitdenken war nicht seine Stärke. Öfters mal hatte er während des Umzugs mit einer Kiste unschlüssig im Flur gestanden, obwohl Alina klar und deutlich „Küche" darauf geschrieben hatte und die Teller darin klapperten. Trotzdem fragte er, wo die Kiste hinsollte.

„Wenn da Küche draufsteht und es in der Kiste klappert, als wären da Teller und Tassen drin: Wo mag die wohl hinkommen?"

„In die Küche?"

„Man merkt sofort, dass du studiert hast."