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Alle Kommentare zu 'Casa Bocca d'Oro - Initiierung'

von CharlieFerrari

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  • 2 Kommentare
Auden JamesAuden Jamesvor etwa 9 Jahren
Unausgegoren

Der vorliegende Text setzt sich vom LIT-Einerlei neben seinem z. T. fremdsprachlichen Titel vor allem durch die sprachliche Schilderung der Anreise der beiden männlichen Hauptfiguren zum Ort der Handlung, der titelgebenden „Casa Bocca d’Oro“, ab. Insbesondere in den Landschaftsbeschreibungen mutet der Text fast schon wie ‚Literatur‘ im konventionellen Sinne an, wie z. B. in der folgenden Passage:

„Der Weg führte, sobald er die Talsohle durchschritten hatte, eine besonders steile Anhöhe hinauf. Hinter einem sockelförmigen Kalkfelsen, der sich rechts über ihnen aus der trockenen Erde erhob, machte die Schotterpiste mit einem Mal einen engen Knick und wurde jäh von einem meterhohen Maschendrahtzaun durchschnitten.“

So etwas habe ich im dt. LIT schon ziemlich lange nicht mehr gelesen. In der Tat fällt mir spontan nicht e i n Text der jüngeren Vergangenheit ein, der irgendetwas Vergleichbares bieten könnte. Respekt!

Leider wird dieser überraschend positive Eindruck ebenso jäh zunichte gemacht wie der obige Weg durchkreuzt, denn an viel zu vielen nachfolgenden Stellen meint „CharlieFerrari“ – aus unerfindlichen Gründen – Fremdwörter in den Text zu setzen, ohne dass deren Einsatz notwendig oder überhaupt sinnstiftend wäre. Ein paar Beispiele: Was soll sich der geneigte Leser darunter vorstellen, wenn sich jemand „larmoyant“ das Gesicht abtupft? Und was von der nominalen Verwendung der Präposition „vis-à-vis“ (im Text noch dazu ohne Accent) halten? Oder wenn der Erzähler Schuppen „vor“, statt v o n den Augen fällen und verbale Ausdrücke der Überraschung „guttural“ entfahren lässt? Und was zum Henker ist ein „modischer Kaufhausbikini“?

Auf der Handlungseben fällt zudem negativ auf, dass der Autor sein Szenario wohl selber nicht wirklich ernstnimmt, denn andernfalls würde er Konflikte und Widerstände, wenn es um für den Fortgang der Handlung zentrale Entscheidungen der Figuren geht, nicht so mir nichts dir nichts aus der Welt schaffen, wie es z. B. der Fall ist, als es um die Frage der Mitwirkung in den vorgeblichen italienischen Premiumpornos geht:

„‚Ich weiß nicht!‘, sagte Tilman unentschieden.

‚Ach komm schon!‘

‚Na gut!‘, gab er sich geschlagen.“

Und das ist nicht die Ausnahme, denn ganz ähnlich gestaltete sich die Lage schon zu Beginn des Texts, wo der „unschlüssige“ (ohne Anführungsstriche dieses Wort an dieser Stelle keinen Platz hätte) „Tilman“ (oder doch „Till“?) sich ebenfalls ziert, als es um die Frage ging, ob die Reise nach Italien überhaupt angetreten werden sollte, um flugs vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden und ebenso glattweg einzuwilligen. So verflüchtigt sich irgendeine Spannung im Handumdrehen und die ganze Geschichte (zumindest in Ansätzen ist eine solche hier erahnbar) verliert ihre Überzeugungskraft. Zwar ist per se nichts einzuwenden gegen amüsante Pornokomödien, aber das Problem für den vorliegenden Text besteht darin, dass er zwar eine nicht ernstzunehmende Handlung aufweist, aber eben keine Komik. Er ist schlechterdings nicht humoristisch!

Die expliziten Passagen am Schluss schließlich taugen auch nicht, um die Handarbeit der bedürftigen Leser vor dem Bildschirm anzukurbeln. Dazu sind sie zugleich zu einfallslos und zu skurril geschildert, wenn auf das lusttötende Testikelkneifen die wonnige Prostatamassage folgt und der Leser von einem „ungesund schmal[en]“ Mädchen mit einem „Sperma-See“ in der Hand aus dem Text entlassen wird.

Und damit bleibt unklar, was er nun eigentlich ist bzw. sein will: „richtige“ Literatur, Komödie vor pornographischem Hintergrund oder doch rohe Pornokost unter der Sonne Italiens?

Fazit: Ein Text, der eine unausgegorene Mischung aus sprachlichem Stilwillen, abstruser Handlung und pornographischem Pflichtteil anbietet. Kann man bei Interesse lesen, muss man aber nicht wirklich!

–AJ

Auden JamesAuden Jamesvor etwa 9 Jahren
∴ { ◊ • 1 ½ STERNE • ◊ }

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