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Dr. Jekyll und Heidi Teil 05

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Wie schon im Aufzug hielt Heidi auch in der Bahn Abstand und sah mich nicht an. Okay, sie war sauer. Okay, vielleicht hätte ich ihr vorher sagen sollen, dass ich die Verlobung mit dem Finale ihrer Erziehung verbinden wollte. Aber es sollte doch eine Überraschung sein! Alles! Der Dom, der Turm, der Ring, die Perlenkette, die weißen Handschellen, die heißeste Verlobung der Weltgeschichte, einfach alles!

Ich verstand immer noch nicht, was wirklich in ihr vorging. Dass sie mit zu mir kam, beruhigte mich ein wenig. Wir würden uns nachher aussprechen, sobald ich meine Videokonferenz hinter mich gebracht hatte.

Die ganze Bahnfahrt über schwiegen wir. Auch auf dem Weg von der U-Bahn zu mir. Erst in der Wohnung unternahm ich einen neuen Anlauf.

„Lass uns darüber reden, ja?"

„Geh arbeiten", beschied sie mir unwirsch und schob mich in Richtung Arbeitszimmer.

Grübelnd saß ich in der Konferenz, wirkte fahrig und unkonzentriert. Eben noch hatte ich mich gefühlt wie der König der Stadt, wie ein gefallener Engel, der in den Himmel zurückkehrt, um dort grenzenlose Lust und Leidenschaft in das Dasein der himmlischen Heerscharen zu bringen. Und jetzt zitterte ich vor Heidis Marmorgesicht, ihrem undurchdringlichen Ausdruck. Aber sie war hier, in meiner Wohnung, und im Moment zählte nur das.

Sobald es irgendwie ging, klinkte ich mich aus der Videokonferenz aus. Öffnete die Tür, räusperte mich vernehmlich. Ich wollte sie nicht erschrecken. Klappergeräusche aus der Küche wiesen mir den Weg zu ihr. Sie stand am Herd, rührte im großen Topf.

„Ich bin fertig", stellte ich vorsichtig fest.

„Es gibt Suppe", antwortete sie kühl, wieder ohne mich anzusehen. Sie hatte das Kleid gegen Jeans und Sweatshirt getauscht. „Geh schon mal ins Wohnzimmer und deck den Tisch."

Ein kurzes Nicken, dann folgte ich ihrer Anweisung wortlos. Was tat sie da? Normalität schaffen, sich ablenken? Wenn ihr das half, über ihren Ärger hinwegzukommen, sollte es mir Recht sein. Ich stellte Teller und Gläser bereit, aktivierte meinen alten Plattenspieler mal wieder und wählte eine Mozart-Einspielung mit Glenn Gould. Genau das brauchten wir jetzt. Gefühlvolle Musik, die Freude und Schmerz auf unvergleichliche Weise miteinander verband.

Die im Raum schwebenden Klavierklänge beruhigten mich sofort wieder. Aus der Küche war nichts zu hören, also gönnte ich mir einen Moment der Entspannung auf dem Sofa. Ich überlegte, was ich ihr sagen wollte.

„Wie immer du darüber denkst, Heidi, in jedem Fall sind wir uns einig, dass es vorbei ist. Mr. Hyde hat sein Finale gehabt, damit ist seine Zeit abgelaufen. Endgültig abgelaufen, versprochen. Wir sind jetzt verlobt, das zählt. Lass uns den Weg weitergehen, es ist der richtige Weg. Heiraten, Familie, ein Heim mit Garten. Lass uns einen großen Jasminbusch pflanzen, unter dem unsere Tochter ihren Freund zum ersten Mal küssen wird, wie auch unsere Lippen unter duftendem Jasmin zum ersten Mal zueinander fanden. Lass uns nach vorne blicken, Heidi, unsere Träume verwirklichen."

Ja, das war gut. So mussten wir jetzt denken. Ich lag immer noch auf dem Sofa, seitlich, zusammengekrümmt wie ein Embryo, als Heidi mit dem großen Suppentopf hereinkam, die Hände unter lustigen Häschen-Topflappen versteckt. Noch bevor sie den Topf auf dem Esstisch abstellte, kam sie direkt auf mich zu.

„Ich habe heute etwas begriffen", erklärte sie mit erstaunlich ruhiger Stimme, „in Sachen gut, schön und wahr. Einerseits habe ich begriffen, dass ich eine Romantikerin bin, die daran glaubt, dass gut, schön und wahr zusammen gehören. Anderseits hast du nur zu deutlich bewiesen, dass du nicht gut bist, und dass dein Äußeres, wenn es eine innere Wahrheit ausdrücken soll, viel hässlicher sein muss, als es ist. Deshalb ist diese Korrektur leider nötig."

Ich begriff gerade noch, was sie vorhatte, konnte mich aber nur noch fest in die Polster drücken. Bevor ich auch nur meine Hände schützend vor das Gesicht halten konnte, schüttete sie bereits den gesamten Topf voll kochendem Wasser mitsamt Brühe und Fettaugen über mich aus.

Ein riesiger Schwall fast hundert Grad heißer Flüssigkeit verbrühte mir die Haut. Ich schrie unwillkürlich auf, obwohl damit die Suppe auch noch in meinen Mund eindringen und mir Zunge und Gaumen verbrennen konnte. Der Schmerz war überall, wobei die Kleidung einiges auffing, so dass vor allem Gesicht, Hals und Hand wie Feuer brannten, aber auch überall sonst peinigte mich flüssige Glut.

Zum Glück hatte ich wenigstens meine rechte Körperhälfte noch rechtzeitig so fest in die Sofapolster gepresst, dass sie von der Flüssigkeit verschont wurde. Wild fuchtelnd sprang ich auf, schlug halb blind um mich, traf aber nur leere Luft.

Ich brüllte vor Schmerz, rieb mein wundes linkes Auge, begann mir die vollgesogenen Kleider vom Leib zu reißen und wollte nackt ins Bad laufen, um mich unter eine kalte Dusche zu stellen, rannte aber nur gegen die Wohnzimmertür, die sich nicht öffnen ließ. Verdammt noch mal, Heidi hatte mich auch noch eingeschlossen!

Blind vor Qual und Wut trommelte ich mit den Fäusten gegen das Holz, brüllte „Mach auf!", wieder und wieder. Nach einer gefühlten Ewigkeit, die in Wirklichkeit sicher nur Minuten währte, wurde der Schlüssel von außen gedreht und die Tür öffnete sich. Ich blickte auf zwei junge Männer in der weißen Kleidung von Krankenwagenfahrern.

Einem trat ich aus Versehen hart auf den Fuß, als ich mich an ihnen vorbeidrängelte und splitternackt durch die Wohnung raste auf der Suche nach Heidi. Sie war nicht mehr da. Mit hängenden Armen blieb ich im Flur stehen. Unter den mitleidigen Blicken der Krankenwagenbesatzung, die mich garantiert für völlig übergeschnappt hielt und sich vermutlich fragte, ob sie besser Polizei zur Verstärkung anfordern sollte, sackte ich zusammen. Ein Heulkrampf schüttelte mich und ich begriff, dass Heidi endgültig gegangen war.

Epilog

Aus dem Krankenhaus zurückgekehrt, musste ich allen Mut zusammennehmen, um in den Spiegel zu blicken. Als ich mich endlich traute, mir selbst ins Auge zu sehen, nahm ich mir Zeit, mein neues Ich in Ruhe zu betrachten.

Kochendes Wasser ist nicht das heißeste, was einen treffen kann. Sie hätte auch Öl in der Pfanne heiß machen können, dann wäre meine Haut verschmort wie Fleisch auf einem Grill. Trotzdem sind hundert Grad mehr, als ein Mensch aushält, vor allem, wenn die Haut großflächig betroffen ist.

Eine klar erkennbare Linie ging längs durch mein Gesicht, teilte meine Nase exakt über die Spitze in rechts und links, während sie an Kinn und Stirn in leichten Wellen verlief. Die rechte Gesichtshälfte hatte den Angriff praktisch unbeschadet überstanden. Die linke Seite war jetzt stets gerötet. Es sah aus, als hätte ich permanenten Sonnenbrand. Die Fettaugen waren auch nicht heißer als das Wasser gewesen, hatten aber trotzdem hartnäckigere Verbrennungen hinterlassen, die sich wie gelbfleckige Tupfen über die Haut verteilten und jeden Tag juckten. Ein Fettspritzer hatte mein linkes Auge getroffen und die Oberfläche so weit verätzt, dass ich auf diesem Auge nur noch die Hälfte meiner Sehkraft besaß. Es sah aus, als hätte jemand mein linkes Auge matt lackiert statt glänzend.

Mindestens eine Stunde lang starrte ich die Fratze an, die aus dem Spiegel blickte, bevor ich sie als mein Gesicht akzeptierte. „Hallo Dr. Jekyll, hallo Mr. Hyde", begrüßte ich die beiden Gesichtshälften. Wenn Heidi wirklich meiner inneren Wahrheit Ausdruck verleihen wollte, hätte sie es nicht besser hinbekommen können.

Seit diesem Tag lebe ich allein in meiner Wohnung. Keine Frau hat sie je wieder betreten. Heidi blieb wie vom Erdboden verschluckt. Auch ein Detektiv, den ich auf sie ansetzte, konnte nichts herausfinden. Erst über ein Jahr nach ihrem Verschwinden, als ich in einer düsteren Ecke des Café Journal hockte, setzte sich plötzlich eine Kellnerin zu mir, die ich nicht kannte.

„Ich habe früher mit Heidi zusammen studiert", eröffnete sie mir ohne Umschweife. Dann schien sie auf eine Reaktion von mir zu warten. Als ich schweigend sitzen blieb, fuhr sie schließlich fort: „Ich weiß nicht, ob ich das sagen sollte, und wenn mich jemand fragt, werde ich abstreiten, dass ich irgendwas weiß. Aber ich habe gehört, dass sie ihr Studium abgebrochen hat und unter falschem Namen in einem anderen Land lebt, in Europa. Sie ist mit einem Priester verlobt und wird ihn in Kürze heiraten."

Wieder wartete sie auf eine Reaktion, wieder kam keine. „Ich dachte nur, sie sollten es wissen." Die Kellnerin stand auf. Ich lehnte mich zurück. Blickte durch das Fenster, gegen dessen Scheibe Regentropfen trommelten. Nach einer ganzen Weile zog ich einen leeren Zettel aus der Tasche, den ich zufällig bei mir trug und begann, diese Geschichte aufzuschreiben.

Als ich viel später zu Hause meinen Bericht fertigstellte, schloss ich mit den Worten: „Mr. Hyde gehört in Schauergeschichten wie die von Stevenson oder diese hier. In einer zivilisierten Wirklichkeit ist kein Platz für ihn. Ich möchte deshalb jedem gratulieren, der seinen Mr. Hyde besser wegsperrt, als es mir gelungen ist. Wir dürfen ihn nicht unterschätzen, ihn nicht kleinreden mit schicken psychologischen Begriffen wie Es, Ich und Über-Ich. Wir sollten lieber bei den alten, dunklen Wörtern bleiben: Dämonen und Besessenheit. Und wenn ihnen die Wörter noch nicht genug Angst einjagen, werfen sie einfach einen Blick in mein Gesicht, diese groteske und lächerliche Fratze. Das hat noch bei jedem gewirkt."

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6 Kommentare
arnegarnegvor mehr als 6 Jahren
Toll geschrieben , aber

wie immer toll geschrieben, aber ...

bislang haben mir Deine Geschichten ausnahmslos gefallen (die, die ich bislang gelesen habe).

Aber das Geschehen auf dem Turm gehört für mich in die Kategorie Erotischer Horror. Da kann ich dann auch keine 5 Sterne mehr geben. Gut geschrieben, vom Inhalt nur 1 Stern. Gerade weil Du so mitreissend scheibst, wollte und will ich da nicht mitgehen. (Nur meine Meinung)

RomeoReloadedRomeoReloadedvor fast 7 JahrenAutor
H.s Freundin ...

Wäre eine Geschichte, die jemand anders schreiben muss. Für mich ist die Story abgeschlossen. Aber natürlich sind neue Geschichten in Arbeit, ich denke, ab September/Oktober werde ich wieder was veröffentlichten.

CadiaCadiavor fast 7 Jahren
überraschendes Ende ...

... aber vielleicht findet sich ja eine Freundin von H.?

Ich sehe das Phantom und ich sehe eine junge Frau die das Phantom erlösen kann ...

:)

AnonymousAnonymvor etwa 7 Jahren
Vielen Dank

Eine klasse Geschichte mit einem überraschendem Ende.

Klasse

RomeoReloadedRomeoReloadedvor etwa 7 JahrenAutor
Vielen Dank für Dein Lob!

Es freut mich sehr, dass Du Dir die Zeit genommen hast, ein so ausführliches Feedback zu schreiben, Und natürlich freut es mich, dass Dir dir Geschichte gefallen hat!

Zu Heidis Alpträumen: Du hast Recht, da habe ich mich gedrückt. Wenn ich mehr geschrieben hätte, wäre das eine Auseinandersetzung mit Kindesmissbrauch geworden. Puh, davor hatte ich Schiss. Heikles Thema. Aber eigentlich kommt man nur so weiter: indem man sich beim Schreiben an Dinge traut, bei denen man erst mal nicht weiß, wie man sie angehen soll.

Zum namenlosen Erzähler: Er heißt ja schon Dr. Jekyll und Mr. Hyde, ich hatte das Gefühl, ein weiterer Name würde nur ablenken.

Zur Dir: Schreib doch auch mal ne Geschichte. Ob nun hier oder in nem anderen Forum für andere Themen. Du kannst Dich ausdrücken, daran scheitert es sicher nicht. Einfach mal im Hinterkopf mögliche Geschichten ausbrüten, bis dir eine gefällt. Dann drauflosschreiben, egal wie, erst mal runterschreiben. Danach überarbeiten, bis es dir gefällt. (Oder wie auch immer. Ist nur mein Tipp, nicht der Weisheit letzter Schluss.)

Neues von mir: Wird es geben, nach einer kleinen Pause. Im Moment habe ich mich durch die Erfahrung mit Mr. Hyde dazu hinreißen lassen, erst mal eine erotikfreie Horrorgeschichte zu schreiben, die erscheint dann woanders.

Eine erotische Geschichte habe ich auch in Arbeit, mir gefällt sie gut. Sie ist stilistisch deutlich anders, weil der Stil ja dem dient, was man erreichen will. Am einfachsten: Als User bei Literotica anmelden (kostenlos), dann den Autoren folgen (favourite author), die Du magst, dann siehst Du in Deinem Login-Bereich, wenn neue Geschichten von ihnen auftauchen.

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