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Ändert sich was? Kapitel 02

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„Hilf mir, Manja hilf mir, bitte. Pia geht's nicht gut."

Manja war mit ihren zwölf Jahren sehr klug. Sie füllte ein Glas mit Wasser und schüttete es Pia ins Gesicht. Ich bekam zwar etwas ab, aber das war mir egal. Pia sackte in meinen Armen zusammen, sprach kein Wort mehr und entspannte sich. Sie öffnete die Augen und sah mich direkt von unten an. Sie lächelte und ihre Haare tropften. Sie merkte die Nässe auf ihrem Gesicht, leckte mit der Zunge über ihre Lippen und schreckte hoch.

„Habt ihr mich geärgert?"

„Sie sah uns abwechselnd ungläubig an und bemerkte unsere Tränen und die Angst verzerrten Gesichter.

„Was ist passiert? Hab ich was angestellt?"

Manja kam zu uns um den Tisch herum.

„Nimm Piadora und gehe mit ihr in unser Zimmer.", wünschte Manja sehr sanft von mir.

„Ich mach das hier zu Ende. Kümmere dich um sie und wenn sie etwas haben möchte rufst du mich.Vielleicht ist sie gleich wieder fit und ihr spielt ein wenig. Trocknet euch vorher ab und zieht euch andere Sachen an. Deine Sachen müssten ihr passen."

„Ja, wir spielen Kleidertausch. Da mache ich nie was verkehrt. Ganz bestimmt nicht. Das Spiel ist schön. Ich darf mich aber nicht schminken. Dann gibt es Ärger.", grätschte Pia in die Anweisungen von Manja hinein.

Wir waren erst erstaunt, dass Pia wieder fit zu seien schien, merkten aber gleich, dass sie sich an etwas erinnerte, was nicht schön war.

„Ja, Pia, macht das. Du darfst dich auch schminken. Das ist alles erlaubt.", sagte Manja.

Bei diesen Worten sprang Pia hoch und jubelte, dann senkte sie den Kopf und flüsterte: „Das sagst du nur, damit du mich ärgern kannst."

„Nein, mein Spatz. Ich werde dich nicht ärgern. Geht und trocknet euch ab, zieht euch um und von mir aus nehmt Mams Schminke für eure Bemalung.", antwortete Manja lächelnd und strich ihr über den Kopf.

Jetzt begriffen wir was in Pia vor sich ging. Wir waren nicht in einem Alter, indem man Probleme dieser Art versteht, aber wir reagierten wie Kinder, die sich um jemanden Sorgen machen. Pia vermutete in Positivem oft eine Hinterlist, um sie zu ärgern.

Ich nahm Pias Hand und zog sie vom Tisch ganz behutsam weg. Alle drei schlichen wir zu unserem Zimmer, Manja holte noch ein großes Badehandtuch aus dem Bad und im Mädchenzimmer entkleideten wir uns, um uns abzutrocknen. Anschließend suchten wir für Pia noch Kleidung, zogen uns an und ich legte mich mit Pia auf das Bett von Manja. Dann kuschelte ich mit Pia und wir lagen irgendwann ganz eng umschlungen aneinander geschmiegt. Pia atmete sehr ruhig und ich spürte wie sie langsam einschlief. Bewegen wollte ich mich nicht. Sie wäre vielleicht wach geworden. In dieser Position hörte ich nur noch von ganz weit weg, dass Mam sagte: „Ich glaube, dass Pia für Kathja genau das richtige ist. Sie wird wieder..."

Am nächsten Morgen lag ich immer noch mit Pia im Bett, wobei Pia mich immerzu streichelte. Mal die Hand, mal das Gesicht, mal über den Bauch. Ich öffnete langsam die Augen und schaute in dieses tiefe Braun ihrer Augen.

„Hallo. Guten Morgen Kathja. Ich glaube ihr habt mich vergessen. Ich müsste schon lange im Heim sein. Das gibt bestimmt Ärger."

Ich sah mich etwas verwirrt um und wusste, dass wir Pia nicht vergessen hatten.

„Nein, Pia. Mam hat dafür gesorgt, dass du über das Wochenende bei uns bleibst und von hier aus mit mir zur Schule gehst."

Pia sah mich ungläubig an. Sie setzte sich neben mich, lehnte sich gegen die Wand, quer zum Bett, und fragte: „Habt ihr kein Geld? Schickt ihr mich zum Einkaufen?"

Der Zusammenhang zwischen „Wochenende bei uns bleiben", „Kein Geld" und „Einkaufen,, war mir nicht ganz klar. Also fragte ich nach: „Wie soll das gehen? Man kann doch nicht ohne Geld einkaufen gehen und was hat das mit deinem Wochenende bei uns zu tun?"

Mir kam ein Gedanke. „Bist du oft zum Einkaufen geschickt worden, wenn du am Wochenende bei jemandem warst und hattest kein Geld?"

„Ja. Das geht. Hat man mir gezeigt und ich habe es nachgemacht."

Mit dem Brustton der Überzeugung erklärte sie mir, dass sie das kann und versicherte mir, dass sie im Nachmachen sehr gut ist.

Ich schüttelte den Kopf. Dann wurde mir klar, dass sie das wirklich gemacht hat und glaubte, dass es richtig war.

„Warum hast du das denn gemacht und wer hat dir die Aufgabe gegeben?"

„Das waren meine vorletzten Eltern.", legte sie los und sprudelte ihre Geschichten wie ein Brunnen hervor.

Ich erfuhr jetzt so einiges und konnte mir einen Reim machen. Als sie fertig war lachte ich laut los und versicherte ihr, dass ich ihr absolut glaube, sie aber nichts nachmachen oder einkaufen gehen muss, nur weil kein Geld da ist.

"Komm, lass uns frühstücken. Dein erstes Frühstück an einem Wochenende bei uns. Wir haben schon das Abendbrot ausgelassen. War gestern doch etwas anstrengend für uns beide.", übernahm ich das Zepter.

Wir kletterten aus dem Bett und gingen in die Küche, wobei Pia vor dem Bad stehen blieb und mich bittend ansah. Ich grinste, nahm ihre Hand und ging mit ihr hinein. Sie zog ihr Nachthemd hoch und setzte sich auf das WC. Ich setzte mich auf den Wannenrand und sah, wie sie mich liebevoll und dankbar anlächelte. Ihr Geräusch vom pinkeln lies bei mir ebenfalls einen gewissen Druck aufsteigen und ich ging gleich nach ihr. Erst jetzt viel mir auf, dass wir zwei gleiche Nachthemden an hatten. Dass wir überhaupt Nachthemden trugen war für mich schon ein großes Fragezeichen, aber dass ich zwei gleiche hatte war mir nie aufgefallen. Beim besten Willen konnte ich mich nicht daran erinnern eines angezogen zu haben. Es war mir aber egal. Wir wuschen uns die Hände und gingen in die Küche. Dort staunten wir und Pia begriff, dass selbst mir das ganze vor uns unbekannt war. Zwei Gedecke nebeneinander mit allem was zu einem Frühstück gehört. Ich sah von weitem einen Zettel. Wir gingen zum Tisch, ich nahm den Zettel und während wir uns hinsetzten las ich vor.

Liebe Kinder,

es ist jetzt acht Uhr dreißig und Manja und ich sind einkaufen.

Ich sah zu Pia, die mich angrinste.

„Haha, sag ich doch. Ihr müsst also auch einkaufen."

„Nein Pia", entgegnete ich. „Das was du verstehst ist kein Einkaufen. Mam und Manja gehen mit Geld einkaufen. Das was du machen musstest war klauen."

„Ich war einkaufen.", antwortete Pia stur. Ich wusste schon lange, dass man ihrer falschen Sicht der Dinge nur mit Beispielen beikommen konnte. Ich las noch einmal vor.

„... Manja und ich sind einkaufen."

„Na Pia. Wann warst du zu zweit, ohne Geld, einkaufen?"

Pia überlegte ziemlich lange.

„Ich warte!", hakte ich nach.

Pia sah, wie ich grinste, und schüttelte den Kopf. Mit hängendem Kopf sagte sie kaum hörbar: „Ich bin eine Diebin."

„Siehst du. Du hast mich verstanden. Du bist aber keine Diebin. Mach dir keine Gedanken. Der dir das beigebracht hat, der klaut, ist ein Dieb und hat dich missbraucht. Du hast es nicht anders beigebracht bekommen. Woher sollst du das wissen?"

Pia sah erleichtert aus und ich las weiter vor.

Wir sind in zwei Stunden wieder da. Vielleicht könnt ihr Nudeln aufsetzen.

Macht bitte keinen Blödsinn und seit lieb zueinander.

Lieben Kuss von

Mam und Manja

„Klar, machen wir.", schoss es aus Pias Mund. „Ich weiß nur nicht wie man Nudeln kocht."

Ich lachte laut los. „Ich weiß es aber und du kannst zusehen. Ist ganz einfach."

„Klar, mach ich.", schwappte es wieder aus ihrem Mund. „Zugucken kann ich gut und mir alles merken auch."

„Ja Pia. Das haben wir gestern gemerkt." Ich drückte sie sehr zärtlich an mich und sie blieb einen unwahrscheinlich langen Augenblick mit ihrem Kopf an meiner Schulter. Dabei presste sie mich fest an sich. Ich spürte sie sehr intensiv und wieder diesen Stromstoß in mir.

Der Vormittag verging wie im Fluge. Pia stahl alles mit ihren Augen und Ohren. Wir räumten das Mädchenzimmer auf, machten die Betten, brachten die Schmutzwäsche ins Bad, holten die saubere Wäsche aus dem Schlafzimmer von Mam und sortierten alles in die richtigen Fächer unserer Kleiderschränke. Dann ging ich ins Bad, um zu duschen. Ich hatte nicht daran gedacht, dass Pia ohne mich Angst haben könnte und vergessen ihr zu sagen wo ich bin. Ich wollte gerade in die Wanne steigen, da hörte ich Pia nach mir rufen. Es hörte sich so flehend an, dass ich sofort mein Nachthemd über zog und zu ihr flitzte. Sie hockte vor dem Schrank und weinte. Ihre Knie hatte sie fest umklammert und den Kopf gesenkt. Sie wollte gerade wieder nach mir rufen, doch ich machte mich umgehend bemerkbar. Sie hob den Kopf und ich sah Tränen und Angst erfüllte Augen. Mir war nicht wohl zumute. Ich hockte mich vor sie und bat um Entschuldigung. Sie fiel mir um den Hals und klammerte sich fest. Ich zog sie hoch und bat sie mitzukommen. Als wir im Bad waren, bat ich sie darum nicht zu gucken. Ich duschte sonst mit zugezogenem Vorhang, was ich diesmal vorsorglich vermeiden wollte. Meine Erinnerung auf der Schultoilette war der Grund. Ich wollte aber nicht, dass sie mich nackt sieht. Handtuch und Wäsche lagen in Reichweite. Pia duschte nach mir. Sie ließ ebenfalls den Vorhang offen. Ich versuchte nicht hinzusehen, was einfach nicht funktionierte. Nach dem ersten Anblick von ihr schloss ich die Augen und sah sie trotzdem. Nachdem sie geduscht hatte gab ich ihr ein Handtuch für die Haare und eins für ihren Körper. Trocken gerieben, putzte sie sich die Zähne, zog sich an und stand so frisch wie ich, neben mir. Wir sahen uns im Spiegel an und lachten.

„Deine Sachen sind mir etwas groß.", stellte Pia fest.

Wir hatten ihre Sachen in die Wäsche geworfen und da sie nichts weiter bei hatte, lies ich sie in meinem Schrank vorher etwas passendes suchen.

„Darf ich das Kleid anziehen. Es ist so schön bunt und fühlt sich sehr weich an?"

„Ja, na klar. Nimm es dir.", bestätigte ich ihre vorsichtige Frage zu dem Hauskleid, das wir alle in irgend einer Variante mehrfach im Schrank hatten.

„Die macht Mam immer aus alten Kleidungsstücken selbst. Wir haben alle mehrere davon. Soll ich auch eins anziehen?", erklärte ich ihr.

„Ja, mach mal. Das hier in verschiedenen Grüntönen ist sehr schön."

Sie hielt es mir hin und ich zog es an. Dabei merkte ich im Nachhinein, dass ich zum zweiten mal nackt vor ihr stand, nachdem wir uns am Abend zum Abtrocknen ausgezogen hatten und sie diesmal sehr interessiert hingesehen hatte. Mein Kopf glühte dem entsprechend nachträglich leicht auf.

Sofort versuchte ich mein unangenehmes Gefühl zu überspielen.

„Ab in die Küche und die Nudeln gekocht.", kommandierte ich leise und wir sausten los.

Pia beobachtete mich ganz genau. Die Nudeln waren gerade fertig, als Mam und Manja eintrafen. Wir aßen zusammen, nachdem Mam noch Tomatensoße gekocht hatte und zogen uns ins Wohnzimmer zurück. Pia klebte an Mam und ich lehnte an Manjas Schulter auf der Couch. Mam wusste bereits von Manja was am Abend vorher geschehen war und erklärte ohne Umschweife die Situation. Pia hörte alles mit großen Augen an.

„So ihr lieben. Pia darf bis auf weiteres jedes Wochenende zu uns kommen. Die Betreuerin ist gleichzeitig die Heimleiterin und hat großes Verständnis für die Angelegenheit. Und jetzt zu Pia selbst."

Pia hob ihren Kopf, ohne ihre Umklammerung bei unserer Mutter aufzugeben, und himmelte sie an. Mam sprach weiter.

„Pia hat viele Probleme, die nichts mit Behinderung zu tun haben. Ihre Mutter ist Alkoholikerin und ihr Vater ein Tyrann. Man holte Pia mit vier Jahren aus ihrem völlig verwahrlosten Elternhaus. Dort fand man sie in einem dunklen Raum eingesperrt und völlig unterentwickelt. Die Verwandtschaft lehnte sie ab und so kam sie ins Kinderheim. In der Folge bemühte man sich um gute Pflegefamilien und griff mehrmals mit den Pflegeeltern daneben. Niemand war in der Lage zu begreifen, dass Pia schon im Mutterleib geschädigt wurde. Die Alkoholprobleme der Mutter führten dazu, dass sie im Mutterleib gestresst war und schaden genommen hatte."

Mam sah zu ihr runter und fragte: „Wusstest du das von dir?" Pia schüttelte schweigend den Kopf.

Mam strich ihr über den selben und fuhr fort.

„Ich habe beschlossen, dass Pia ein Teil unserer Familie wird. Alleine kann ich das aber nicht entscheiden und möchte euch deshalb jetzt fragen, ob ihr Einwände habt."

Sie wartete auf eine Reaktion von uns, doch wir schwiegen. Manja und ich sahen uns an und waren wie immer ohne Worte einer Meinung. Wir nickten uns nur ein wenig zu und das war es auch schon.

„Gut. Dann ist meine Entscheidung bestätigt. Mir ist bewusst, dass Pia sehr anhänglich ist und wir noch viele Probleme zu erwarten haben. Ich persönlich sehe viele Dinge die passieren können, aber nicht eintreffen müssen. Kathja ist für Pia die Bezugsperson Nummer eins, dann Manja und dann ich. Eigentlich ist es bei Manja und mir egal in welcher Reihenfolge. Kathja wird am meisten gefordert sein, wie ich das sehe. Pia lernt sehr schnell und wird sich deshalb an gewisse Systeme bei uns rasant gewöhnen. Bleibt nur die Frage, ob wir in der Lage sind ihre Defizite zu akzeptieren, um ihr den Weg ins Leben leicht zu machen. Wenn ich feststellen muss, dass eine von euch überfordert ist und mit Pia nicht klar kommt, müssen wir heute schon eine Lösung dafür haben. Und jetzt das wichtigste. Ich möchte Pia adoptieren und hoffe, dass ihr mir helft und Pia als eure Schwester betrachtet, der man übel mitgespielt hat. Bleibt nur noch die Frage an Pia."

Wieder Schweigen von allen.

Plötzlich reagierte Pia.

„Heißt das, dass ich eine Familie bekomme und ihr das seit? Ich kann nicht zu euch ziehen. Ich muss doch ..."

Sie sackte zusammen und landete mit dem Kopf auf dem Schoß unserer Mutter.

Wir schauten ängstlich zu den beiden, aber Mam war ganz ruhig. Sie kraulte Pia durch das Haar, strich ihr sehr sanft über die Bauchdecke und sah uns an.

„Das war euch gestern auch passiert, stimmt's?"

Wir nickten.

„Die Betreuerin hat mir davon erzählt und mir gesagt wie man damit umgeht. Sie hat Pia in den letzten Jahren, vom ersten Tag an, begleitet und kennt sie sehr genau. So wie ich es mache, sollte man die Situation annehmen und reagieren. Legt sie sanft hin und gebt ihr Körperkontakt. Ihr Gehirn reagiert so, wenn Emotionen in ihr zu stark werden. Das Gehirn hat bei ihr einen Sicherheitsmechanismus ausgelöst, der zum Glück nicht zerstört wurde. Ihre Intelligenz und schnelle Auffassungsgabe sind ein positives Ergebnis und man kann ihr mit entsprechend hohem Aufwand an Zeit, Zuneigung und Liebe einen Weg aufzeigen, sodass sie diese Aussetzer verliert oder wenigstens nicht zu sehr ihr Leben beeinträchtigen. Die Ärzte vermuten, dass sie im Mutterleib mehr als einmal um ihr Leben kämpfen musste und sich das heute zeigt. So lange von ihr Gewalt und Aggressionen fern gehalten werden, wird sie ein stabiles Leben führen können. Mit ihren hervorragenden Talenten, wie fotografisches Gedächtnis, schnelle Auffassungsgabe und sehr hoher Intelligenz, kann sie es schaffen, diese Anfälle los zu werden.

Wir müssen jedoch jederzeit damit rechnen, dass sie völlig unerwartete Dinge tut, weil sie alles praktisch ausprobiert. Sie kopiert nicht nur Handlungen die gut sind, sondern auch schlechte Eigenschaften. Niemand weiß, ob sie aus der Pubertät als Erwachsene hervor tritt oder gewisse kindliche Eigenschaften von heute behalten wird."

Pia wurde wieder wach und wollte an der Stelle weitersprechen an der sie sich ausgeschaltet hatte. Sie blieb stumm.

„Na, meine Kleine? Wie geht es dir?", sprach Mam, Pia an.

Manja hatte mich die ganze Zeit gestreichelt und fuhr jetzt Pia kurz über ihr linkes Bein, das auf meinem Rechten lag.

„Alles gut Pia?", fragte sie.

Pia bewegte sich nicht und fragte nur: „Wo ist Kathja?"

„Hier du Schelm. Jagst einem einen ganz schönen Schrecken ein. Was wolltest du zu uns sagen, mit Familie und so?

Pia sah mich an und strahlte.

„Das meine ich Mädels. Pia hat sich Kathja als Sicherheitsanker ihres Lebens ausgesucht. Für dich mein Schatz wird es besonders hart und eine extreme Belastung werden, denn sie wird dir nie von der Seite weichen und im Heim zugrunde gehen, wenn du nicht ein Ausblick, eine Chance für das nächste Wochenende bist."

Dabei sah Mam zu mir.

„Für dich meine Große wird es auch sehr schwer. Du bist zwei Jahre älter als die beiden. In kürze wirst du sehr launisch und zickig werden. Das kann sich lange hinziehen oder schnell vorbei gehen. Für Pia wäre es ein fotografisches Vorspiel ihrer eigenen Entwicklung. Sie wird dir auf den Keks gehen und ich befürchte, dass das zu einer Belastung zwischen uns beiden führt. Wir sind beide die ältesten in dieser Konstellation und müssen den Überblick behalten. Vielleicht werde ich dir zu viel abverlangen oder selbst daran zerbrechen. Wenn das geschieht kann ich nur hoffen, dass Pia das verkraftet. Mit Verlust wird sie nie so richtig umgehen können, wenn sie es nicht in kürzester Zeit lernt. Dafür ist ihr in den Pflegefamilien zu viel angetan worden, was ihr Gehirn so noch nicht verarbeitet hat. Ihr Schutzmechanismus wird vieles abfangen, aber die Hauptarbeit bei der Bewältigung von Verlusten und starken Emotionen wird bei dir und mir liegen."

Sie machte eine kurze Pause und warf schnell hinterher: „Das war es für heute und damit möchte ich dann hier abschließen."

Wir schwiegen und sahen zu Pia.

„Ich möchte, dass Pia bleibt.", gab Manja zu verstehen.

„Ich auch und sie schläft bei mir im Bett. Das ist breit genug. Ist das in Ordnung?", schob ich hinterher und sah Mam bittend an.

Pia hob den Kopf und bevor einer was sagen konnte meinte sie: „Wo schlafe ich denn wenn Kathja mal nicht da ist? Ich war mal im Krankenhaus und da war ich allein im Zimmer. Ich möchte nicht allein sein. Bitte."

„Du schläfst dann entweder bei Manja oder bei mir. Ganz einfach. Willst du überhaupt bei Kathja schlafen?"

Pia sah Mam an, als ob sie etwas dumm wäre. Und haute ohne scheu heraus: „Ich will ja nur bei Kathja schlafen, hab ich doch gesagt?"

„Na ja. Gesagt hast du es nicht, vielleicht geträumt. Du hast es aber letzte Nacht ganz deutlich gezeigt. Dichter und enger können zwei Freundinnen nicht zusammen in einem Bett schlafen.", antwortete Mam.

Pia sah wieder Mam an, als wäre sie nicht mitgekommen und erläuterte ihre Auffassung noch einmal.

„Ich habe gesagt: „...wo schlafe ich...wenn Kathja mal nicht da ist! Damit habe ich doch schon gesagt, dass ich bei Kathja schlafe und nur nicht weiß, was ohne sie geschieht."

Mam guckte verdutzt in Pias Gesicht, grinste und meinte: „Stimmt. Hast du gesagt und ich habe es nicht verstanden. Tolles Mädchen bist du."

Mam sah uns nacheinander an und wartete auf weitere Kommentare von uns.

„Gut, dann lasst uns das Wochenende genießen. Ab Montag habe ich viel zu tun", fügte sie noch hinzu und kraulte Pia ihre Haare weiter. Ich kuschelte mich an Manja und streichelte ihren Bauch. Manja streichelte mich über den Rücken und wir sahen uns alle für eine Weile abwechselnd an.

Pia war ab jetzt jedes Wochenende bei uns. Freitags nach der Schule, kam sie gleich mit mir nach Hause. Mam organisierte unter der Woche alles mögliche. Sie verschob ihre Dienste als zweite Filialleiterin, weil sie vormittags Behörden besuchen und Termine wahrnehmen musste. Frau Hedwig, die Betreuerin von Pia unterstützte Mam bei allen Angelegenheiten. Wir konnten nicht wissen, dass es zwei Jahre dauern würde und Mam schon kurz nach dem Beginn ihrer Bemühungen wieder ihr Lachen verlor. Sie wurde sehr still und Pia merkte es als erste. Manja fing ein Jahr später an zickig zu werden und machte es Mam nicht leichter. Sie wurde langsam eine Frau und wusste nicht, ob sie Fleisch oder Fisch werden wollte. Pia hatte zeitgleich mit Manja die selbe Entwicklung und gleichen Veränderungen, ohne zickig zu werden. Irrsinn pur bei uns und Mam ständig im Stress. Ihr Arbeitgeber machte Theater und unsere Wochenplanungen, die wir Freitags beim Abendbrot durchführten, verloren sich. Manja und Mam schwiegen bei Tisch und zogen sich danach immer gleich in ihre Welt zurück. Die Wohnung war bereits anders aufgeteilt. Mam schlief im Wohnzimmer, Manja bekam das Schlafzimmer eine Woche nach ihrer ersten Menstruation und Pia und ich behielten das Mädchenzimmer. Ich vermisste Pia in der Woche in meinem Bett und konnte es nicht erwarten sie in der Schule in meinem Arm zu halten. Pia ging es nicht anders. Tränen flossen oft in der Woche nach der Schule bei uns beiden. Ich hätte nicht sagen können warum, aber es tat höllisch weh, wenn wir uns verabschiedeten.

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