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Mirror, Mirror Pt. 03

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Eiligen Schrittes nahm er die Treppen, um in die Lobby und von dort ins Freie zu gelangen. Er brauchte Bewegung. Er drehte mit gequältem Gesicht seine Schultern, um seine stark angespannten Muskeln entspannen. Und, um das Bild der weinenden, zusammenkauernden Julia, dass ihn doch mehr beeindruckt hatte, als er bereit war, zuzugeben, zu verdrängen. Nein, nur sie konnte die Herrin des Spiegels sein. Das war die einzige logische Erklärung!

Mit einem Mal fühlte er in seiner Reisetasche, die aufgrund seines hohen Tempos wackelte, etwas Hartes immer zu gegen seinen Körper prallen. Er konnte sich das nicht erklären. Eigentlich hatte er so etwas nicht bei sich.

Nachdem er in der Tasche eilig gesucht hatte, musste er unwillkürlich lächeln, als er ihn sah. Vermutlich hatte er ihn wie in Trance mit eingesteckt!

In seiner Tasche lag seelenruhig der Spiegel, so als würden ihn die Ereignisse der letzten Minuten gar nichts angehen. Michael überlegte, was er jetzt tun sollte und je länger er nachdachte, desto schneller verschwand sein Lächeln. Dort lag kein Spiegel und kein Liebesobjekt und ganz sicher nicht die Erlösung all seiner Träume, dort lag die Ursache all seiner Probleme! Er wollte den verdammten Spiegel nicht mehr haben, er kam von Julia! Und sowohl sie als auch der verdammte Spiegel hatten ihn betrogen und ihn große Gefahr gebracht! Er wollte nicht alles aufgeben, nur um irgendeiner abstrusen sexuellen Fantasie von sich nachzujagen und er wollte schon gar nicht in so großer Angst, wie der Fremde leben! Und all das würde das schwarze Ungeheuer bedeuten. Und die Schlange auf dem Zimmer, dachte er grimmig!

Er war es sich und dem Fremden, der sich wohl tatsächlich für ihn in Gefahr gebracht hatte, schuldig, den Spiegel loszuwerden. Er blickte sich kurz um und sah im Treppenhaus einen großen grünen Mülleimer stehen, auf dem sorgsam

„BITTE ENTSORGEN SIE IHREN ABFALL HIER! PLEASE GIVE US YOUR TRASH!"

geklebt war. Michael sah die ungenaue englische Übersetzung und grinste zufrieden.

‚Ihr wollt meinen Abfall, dachte er, den könnt ihr haben.' Dann warf er, so kräftig er konnte den Spiegel in den Mülleimer. Es gab einen lauten Knall, dann folgte Stille. Michael wusste nicht, ob er das Zerspringen von Glas gehört hatte, aber es war ihm auch egal. Er war nun auch den zweiten Verräter los.

‚Moment, noch nicht ganz', dachte er eilig und fasste sich an den Kopf.

‚Die Kerzen! Die Kerzen gehörten auch dazu.' Irgendwo in seiner Tasche mussten sie sein.

Er kramte eilig und dort kam der Stapel, den er nach seiner letzten Spiegelbenutzung mit einem Gummiband fixiert hatte, zum Vorschein. Er brach voller Überzeugung jede Kerze einzeln durch und zum aller ersten Mal konnte er die gewaltigen Stimme in sich, die im Einhalt gebieten wollen, s erklären, weil er wusste, woher sie kamen und was sie bezweckten. Das genügte ihm, um diese erfolgreich zu bekämpfen.

Nachdem die Arbeit getan war, blickte er zufrieden auf die Überreste der Kerzen, die er schemenhaft auf dem Boden des Mülleimers sehen konnte. Jetzt war er frei!

In der Lobby eilte er zur Rezeption und schlug energisch auf die Klingel. Ein freundlich aussehender Mann kam auf ihn zu. Ein anderer als der, dem Michael die Antwort auf den ersten Zettel gegeben hatte. Das war ihm egal. Er hatte sich frei von der Herrin des Spiegels und ihrer Teufelsschöpfung gemacht, jetzt wollte er nur noch weg. Der Mann sah ihn erwartungsvoll an:

„Ja, bitte? Was kann ich für sie tun?"

Michaels Stimme wurde überhastet:

„Hier ist meine Schlüsselkarte, rufen sie mir bitte ein Taxi, ich reise ab!"

„Unser hauseigener Fahrdienst arbeitet seit 20 Minuten. Wäre das etwas für sie?"

Michael war zufrieden:

„Ausgezeichnet, den nehme ich! Um die Rechnung kümmert sich die Zurückgebliebene!"

Der Portier nickte, nahm den Telefonhörer und rief einen der Fahrer des Hotels an.

Fünf Minuten später saß Michael in einem der luxuriösen Autos des Hotels und wurde zum Bahnhof gefahren. Er war zufrieden. Endlich kam er weg. Weg von dem, was er jetzt nur noch vergessen wollte.

Michael lehnte sich mit seinem Kopf gegen das Fenster des Zuges. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als endlich mal wieder zu schlafen. Auf einmal berührte ihn eine fremde Hand. Sie stand in einer gewissen Verbindung zu seinem Sitznachbarn.

„Sie möchten schlafen, was?" wollte dieser wissen.

„Sieht man mir das an?" entgegnete Michael kurz angebunden. Er legte keinen Wert auf Konversation. Der Andere ließ sich davon nicht abschütteln:

„Ich fahre auch schon so lange Bahn. Früher konnte man noch im Zug schlafen. Das Rattern und das Wackeln haben einen sehr schön müde gemacht. Heute, bei all diesem neumodischen Quatsch geht das nicht mehr. Wissen sie das Gleise heutzutage lückenlos verschweißt sind? Da rattert nichts mehr. Ausgenommen, man überfährt Weichen."

„Hoch interessant.", gähnte Michael und drehte dem Fremden seinen Rücken zu.

Dieser verstand den Hinweis und verstummte. Michaels Körper begann ihm zu signalisieren, dass er kein Rattern brauchen würde. Der Schlaf kam auch so näher und näher. Michael hatte Angst, als er an die mahnenden Worte des Fremden vor dem Hotel dachte. Aber der Wunsch zu schlafen wurde übermächtig. Nach kurzem Kampf gab er nach und schloss die Augen.

Als er die Augen aufmachte, bemerkte er, dass er gefesselt auf einem Bett lag. Er schaute sich kurz um, es war das Bett des Hotelzimmers. Dann spürte er einen plötzlichen Schmerz an seiner Brustwarze. Sein Blick schnellte sofort in die entsprechende Richtung. Dort sah er eine Hand, geschützt von einem edlen Lederhandschuh, die seine Brustwarze mit voller Kraft zu zwirbeln schien. Er versuchte, dem Arm zu folgen und wieder konnte er den Körper einer wunderschönen Frau, verpackt in einem Ledercatsuit und hohen Lederstiefeln sehen. Als er versuchte, ihr ins Gesicht zu sehen, misslang es aus einem unerfindlichen Grund. Auf irgendeine Art und Weise wusste Michael schon, dass er träumte. Er war aber nicht in der Lage, diesem Bewusstsein etwas logisches folgen zu lassen.

Mit einem Mal gesellte sich die zweite Hand zur ersten und der Schmerz ließ ihn erschreckt aufschreien.

„Habe ich jetzt vielleicht deine Aufmerksamkeit, mein kleiner Sklave?"

Da war sie wieder, diese geheimnisvolle und erotische Stimme. Die Stimme der Herrin des Spiegels. Michael versuchte, selbstbewusst zu antworten:

„Die Aufmerksamkeit schon. Aber auch mein Unverständnis. Ich weiß jetzt, wer du bist und habe mich von dem Spiegel getrennt! Ich bin jetzt frei von dir!"

Er bekam augenblicklich rechts und links eine Ohrfeige:

„Wie sprichst du denn mit deiner Herrin?"

Michael wollte sich die heißen Wange reiben, musste aber feststellen, dass er gefesselt war und zappelte nur ein wenig hilflos herum. Die Herrin lachte ihn aus:

„Sieh nur, wie erbärmlich du aussiehst, wenn du versuchst, dich zu befreien. Wie lächerlich du herumzappelst. Und du denkst, du bist frei von mir." Dazu hielt sie vor einem Spiegel vor die Augen, der ebenso schwarz und böse wie das Original wirkte und Michael seine erfolglosen Versuche, sich zu befreien, zeigte.

„Ich bin frei von dir", stöhnte Michael, als die Herrin ihm 2 schnelle Schläge auf seinen Schwanz gab und sich darüber zu amüsieren schien. Darauf ließ sie von seinem Schwanz ab und eine Hand drückte seinen Mund zusammen:

„Du Narr! Glaubst du wirklich, weil du ein Stück Glas weggeschmissen hast, bist du jetzt frei?"

„Weil ich dich enttarnt habe!"

„Hast du das?"

Michael schreckte hoch und stieß sich seinen Kopf am Sitz des Vordermanns. Was sollte dieser Traum bloß bedeuten? Er verstand ihn nicht und er machte ihm große Angst.

Dann kamen die Zweifel. Wieder und wieder war da der letzte Satz der Herrin:

„Hast du das?"

Hatte er Julia etwas Falsches unterstellt? War sie doch nicht die Herrin? Doch, sie musste es sein, es passte alles so gut. Auch wenn es scheinbar sein schlimmster Alptraum war, den er erlebt hatte, so hatte ihm diese Erkenntnis doch geholfen, frei von den ganzen Fragen der letzten Tage zu werden. Von den Fragen und den Sorgen.

Er schlug sich mit der flachen Hand zwei Mal schnell gegen den Kopf:

„Doch, sie ist es! Es ist alles logisch! Sie ist eine gute Schauspielerin! Nur so kann es sein!"

Die Mitreisenden im Zug drehten sich fragend zu ihm um und ein kleines Kind erwachte und begann zu weinen. Die Mutter des Kindes sah erbost zu Michael. Sie hatte es wohl genossen, das Kind schlafen zu sehen. Denn der Kleine entwickelte sofort eine erstaunliche Aktivität.

Michael erhob sich von seinem Sitz.

Kaffee! Genau das würde er jetzt brauchen. Einen Kaffee und ein neues Leben ...

Endlich stand Michael vor seiner Tür und wankte. Die Anstrengungen der Nacht und die sechsstündige Zugfahrt, die er hinter sich gebracht hatte, waren nicht spurlos an ihm vorbeigegangen. Als er auf die Uhr schaute, erschrak er.

Mittag. Der ganze Tag lag vor ihm. Vermutlich wäre es eine gute Idee, etwas zu essen, merkte sein Bauch durch ein tiefes Knurren an. Es erschien vernünftig. Leute, die normale Tage hinter sich brachten, essen doch gegen Mittag, dachte er.

In seinem Kühlschrank entdeckte er ein Sixpack Bier und Senf. Er runzelte kurz die Stirn und nahm sich das Bier. ‚Egal, dann war es halt erst Mittag.' Er war schon zu lange auf, um sich darüber Gedanken zu machen oder sich zu schämen. Er hatte es verdient. Als das Wanken sich partout nicht abstellen lassen wollte, spielte er kurz mit dem Gedanken, sich hinzulegen und zu schlafen. Alleine der Gedanke an seinen Traum im Zug, ließ ihn diese Alternative schnell vergessen.

Nachdem er das Fernsehprogramm durchgezappt hatte und feststellte, dass wirklich nichts im Fernsehen kam, setzte er sich vor seinen PC und wartete darauf, dass dieser seinen Internetzugang bereitstellen würde. Vielleicht war ja in der weiten Welt etwas passiert, was ihn ablenken würde. Er fühlte sich, seit er wieder in seiner Wohnung war, als würde er in den Seilen hängen. Die ganze Situation war unwirklich. Hier zu Hause war es wie immer, während er vor noch sehr kurzer Zeit die unglaublichsten Erfahrungen seines Lebens gemacht hatte. Und nun war mit einem Schlag das alles vorbei und es war ihm gelungen zu erreichen, was er wollte. Mit einer Zugfahrt hatte er sein Leben wieder in die normalen Bahnen geführt. Als er diese Gedanken wälzte, öffnete er sein Emailprogramm und beobachtete, wie sich eine Zahl aufbaute, die ihm sagen würde, wie viele Mails er in seiner Abwesenheit bekommen hatte. Er schluckte. 42 Nachrichten. Als er sie einzeln betrachtete, kam die Enttäuschung, zumindest 2 Drittel war nichts als Abfall des www Nachrichtensystems. Bei der vorletzten neuen Mail blieb er dann hängen und musste mehrere Male wieder hinschauen, um zu sehen und zu verstehen, was ihm dort entgegen blinkte. Der Absendername lautete DeepThroat.

DeepThroat überlegte er. Eigentlich musste eine Mail mit einem solchen Absender Spam sein, aber der Betreff lautete: „gespiegeltes Trier." Mit einem Mal fiel ihm dann auch ein, wer DeepThroat war: Die Watergate Quelle, die Nixon gestürzt hatte. Dann verstand er, die Nachricht musste vom Fremden sein, der sich so auch im Internet schützen wollte. Michael musste lächeln. Er begann zumindest den Humor des Fremden zu mögen. DeepThroat war schon ein besonders dreister Deckname, wenn man nicht ertappt werden wollte, aber bereit war, Informationen zu verraten. Er öffnete die Mail und las den Inhalt:

„Hallo, ich bin meinen Verfolgern entkommen. Wenn du das liest, schreibe mir bitte zurück und schreibe mir auch, was wir außer dem Spiegel geteilt haben, damit ich weiß, dass wirklich du es bist. Grüße."

Michael überlegte kurz, schrieb ihm zurück, dass sie Zigaretten geteilt hätten und das er den Spiegel weggeschmissen habe, aber nun glaube zu wissen, wer die Herrin des Spiegels sei und wie er in diese ganze Geschichte rein gerutscht wäre. Mit einem Mal fiel ihm etwas ein. Der Fremde hatte gesagt, er habe die neue Herrin des Spiegels kurz gesehen und würde sie wieder erkennen. Irgendwo musste er doch noch ein Foto von Julia haben, was er ihm schicken könnte. Dann würde er all seine Zweifel zerstreuen und Michael würde vielleicht aufhören, das Gefühl zu haben, in einer surrealen Welt zu leben, welches vielleicht nichts anderes war, als die Verdrängung seines schlechten Gewissens. Dann fiel ihm ein, dass er ja schon in Trier feststellen musste, dass er überhaupt kein Foto von Julia besaß. Er überlegte fieberhaft, wo er trotzdem ein Foto finden könnte, stellte dabei die Wohnung auf den Kopf, öffnete alle Schubladen, durchwühlte alte Bücher, klemmte sich unter sein Bett und sah sich schließlich dem Jahrbuch seines Abiturjahrganges gegenüber. Er öffnete es eilig und blätterte. Sein Abitur war zwar schon einige Jahre her, aber mit ein wenig Glück würde das Foto von Julia schon reichen, um sie wieder zuerkennen. Vermutlich war es ja auch schon einige Zeit her, dass der Fremde sie gesehen hatte.

Er hatte Glück. Als er die entsprechende Stelle fand, atmete er erleichtert auf. Sie sah damals schon fast genauso aus, wie heute. Nur heute war sie noch schöner.

‚Verdammt, was war das?' Michael boxte sich in die Seite. So etwas durfte er nicht denken. Auf keinen Fall. Dazu war sein Verdacht viel zu schlimm und zu begründet. Wenn er jetzt anfangen würde, wieder ihre positiven Seiten zu bemerken, war er in großer Gefahr.

Vermutlich ist es alles nur eine Veränderung des Spiegels gewesen, die du jetzt versuchen musst, rückgängig zu machen, versuchte er sich einzureden, während er ihr Bild einscannte und in der Mail fragte, ob sie die Herrin des Spiegels sei.

Nachdem er in den ersten 15 Minuten nachdem er seine Mail abgeschickt hatte, bestimmt vier Mal nach einer Antwort gesehen hatte, beschloss er, sich etwas hinzulegen. Mit einem Satz landete er auf der Couch, auf der nicht mehr gewesen war, seit Natalie mit ihm Schluss gemacht und Julia ihn zur Reise eingeladen hatte. Es war logisch, sie musste es sein. Er begann auch schon wieder genau dieselben Kopfschmerzen wie damals zu bekommen.

Schließlich fielen ihm die Augen zu und er versicherte immer wieder, dass es alles logisch sei, dass es keine andere Erklärung gebe.

Eine Stunde später raste er aus seinem dösenden Zustand hoch und fluchte laut, wobei er mit seinen Fäusten auf die Couch einschlug. Sein Kopf wurde knallrot und er brüllte noch einmal einen lauten Fluch. Es war nicht alles logisch! Eine Sache hatte er übersehen, etwas war ganz und gar nicht logisch! Eine Tatsache widersprach all seinen Annahmen und ließ ihn ein wirklich schlechtes Gewissen bekommen:

Der 1.Zettel! Der 1. Zettel war nicht logisch zu erklären! Warum zur Hölle hätte Julia ihm einen Zettel des Fremden geben sollen, durch den er gewarnt wurde, wenn sie die Herrin des Spiegels war?

„Ich bin so ein Riesenarschloch und der größte Vollidiot!", brüllte er aus Leibeskräften in Richtung des Fernsehers, so als würde dieser die Schuld tragen.

„Warum Zur Hölle kann ich nicht einmal nachdenken, ich Arsch, bevor ich etwas tue? Jetzt habe ich aber einen verdammten Haufen Scheiße gebaut!"

Er sah zu seinem PC, der immer noch online war. Seine Wut über sich selbst pulsierte in all seinen Adern. Er war zu voreilig gewesen, hatte nicht nachgedacht und einfach gehandelt. Und war damit auf die Schnauze gefallen.

Der PC Schirm zeigte ihm, dass eine neue Nachricht auf ihn warten würde. Er stand mühsam auf, fühlte sich noch immer unsicher auf seinen Beinen und hatte Schwierigkeiten, klar zu sehen, zu sehr füllten sich seine Augen schon mit Tränen der Wut und der Verzweiflung, wie leichtfertig er alles weggeschmissen hatte. Ein Mauseklick später konnte er den Absender sehen: DeepThroat.

‚Natürlich', dachte Michael und ahnte auch schon genau, was er schreiben würde. Er wusste nicht recht, welchen Inhalt er sich wünschen würde, aber die Gewissheit einen großen Fehler gemacht zu haben, nahm mehr und mehr zu. Langsam öffnete er mit unruhiger Hand die Mail und las sie. Sie war ziemlich kurz gehalten:

„Nein, sie ist es unter keinerlei Umständen! Die Herrin des Spiegels sieht völlig anders aus! Vermutlich hast du dich durch die neuen Erkenntnisse und die Veränderungen des Spiegels irre führen lassen. Hast du dich überzeugt, dass der Spiegel wirklich zerstört ist? Das wäre wunderbar!"

Michael sank auf die Knie und begann hemmungslos zu schluchzen. Seine schlimmste Angst: Bestätigt! Er hatte den liebsten Menschen, den er kannte, nur wegen seiner eigenen Angst und einer unglücklichen Reaktion des Anderen verlassen, gedemütigt, verletzt und beleidigt. Und alles nur weil er sich nicht getraut hatte, ihr die Wahrheit zu sagen. Und nun war sie aus seinem Leben verschwunden. Er war ganz allein.

Die Tränen liefen Michael in den Mund und er fühlte sich hilflos, als er auf dem Boden kauerte und sich selbst bemitleidete und verfluchte. Nach einiger Zeit, als er seine Emotionen so weit kontrollieren konnte, um wieder einigermaßen klare Gedanken zu fassen, wollte er nur noch eins. Sich entschuldigen. Ihr sagen, wie Leid ihm das alles tun würde. Und wenn sie ihm die Chance gäbe, zu sprechen und zu erklären, dann würde er die ganze Wahrheit sagen. Gestehen und so vielleicht etwas von der Verletzung wieder gut machen und Vergebung, die er nicht verdient hatte, erhalten.

Hastig wählte er ihre Nummer und als er nur noch auf die grüne Taste drücken musste, um sie zu erreichen, stoppte er.

Ihm war etwas eingefallen.

‚Wie sollte er beweisen, was er sagte?' Seine Geschichte würde so unglaublich klingen, dass er schon größtes Glück hätte, wenn sie ihm soweit glauben würde, um Beweise zu verlangen. Und er hatte keine mehr. Er hatte den Spiegel und die Kerzen weggeworfen.

„Nicht mal einen blöden Kassenbon habe ich bekommen", sagte er laut mit verächtlicher und verzweifelter Stimme. Er hatte sie weggestoßen und sich auch noch gleich alle Möglichkeit zur Entschuldigung genommen. Er hatte wirklich ganze Arbeit geleistet.

Fünf Minuten hockte er tatenlos auf dem Boden seiner Wohnung, das Handy ruhte nach wie vor in seiner Hand und er überlegte, was er tun könnte. Schließlich ließ er trotzdem wählen. Gebannt wartete er, während sich die Verbindung aufbaute und konnte die Spannung fast nicht ertragen.

„Ja?" Das war ihre Stimme. Sie klang sichtlich gezeichnet und hatte einen Unterton tiefer Trauer. Jetzt musste er etwas sagen, die richtigen Worte finden, damit sie nicht gleich auflegen würde.

„Julia. Bitte, hör mir zu, hier ist Michael ..."

Die Leitung war tot. Sie hatte sie gekappt, als er seinen Namen gesagt hatte. Fassungslos starrte er auf sein Handy und auf den Schriftzug „Verbindung beendet." Da ihm nichts besseres einfiel, wählte er erneut und wartete. Schließlich hörte er ihre Stimme, aber wurde bitterlich enttäuscht:

„Hi, das ist die Mailbox von Julia. Ich bin wohl gerade nicht erreichbar, bitte hinterlasst mir eine Nachricht."

Sie klang so fröhlich, fast wie in den ersten Tagen in Trier.

‚Und was jetzt', dachte er dann. Er war ratlos, aber der Schmerz brannte höllisch in seiner Brust ...

„Frauen und Schmerz sind eine gefährliche, wenn auch nicht seltene Kombination. Wollen sie noch Einen?", fragte der Barkeeper seiner Stammkneipe, in der er sich zurückgezogen hatte, um etwas zu trinken und sich zu beschäftigen. Da es noch recht früh am Tag war, hatte die Kneipe fast keine Kundschaft. Nur zwei Handwerker, die wohl Mittag machten, saßen in der hinteren Ecke und unterhielten sich. Michael beobachtete, wie sein Glas sich zum 7. Mal mit Whiskey füllte. Er hatte vorher zwei Bier versucht, aber die Wirkung reichte ihm nicht. Der herbe Geschmack des Whiskeys auf seiner Zunge und die Wirkung, die direkt in Blutkreislauf durchzuschießen schien, waren da hilfreicher. Jedes Glas linderte den Schmerz und half zu vergessen.

Der Barkeeper sah ihn mitleidig an und spülte seine Gläser. Michael hasste es von Fremden bemitleidet zu werden, aber in diesem Fall spielte er mit. Er wusste, dass der Barkeeper ihm ansonsten den Alkoholhahn würde zudrehen können.